Musste der Jungfuchs aus Kelsterbach so qualvoll sterben?
Der Fall eines verletzten, sich selbst überlassenen Fuchses in Kelsterbach hat die Gemüter erregt. Eine Tierärztin und ein Jurist diskutieren diesen Fall.
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Kirsten Tönnies (Mitte), Tierärztin aus Hattersheim, und Rechtsanwalt Hans-Jürgen Kost-Stenger mit Mischlingshündin Lina im Gespräch mit FNP-Reporterin Rebecca Röhrich.
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So ähnlich sah der Fuchs aus, dem Judith Wagner helfen wollte.
Der Fall des verletzten Jungfuchses, der in Kelsterbach gefunden wurde und qualvoll sterben musste, hat viel Entrüstung bei den FNP-Lesern hervorgerufen. Kein Tierarzt wollte dem Fuchs mit Verweis auf unklare Zuständigkeiten bei Wildtieren helfen. FNP-Mitarbeiterin Rebecca Röhrich hat aus diesem Grund bei einer Tierärztin und einem Juristen nachgefragt, wie die Regelungen in solch einem Fall offiziell sind.
Frau Tönnies, wenn jemand mit dem verletzten Fuchs in Ihre Tierarztpraxis gekommen wäre, wie hätten Sie reagiert?
KIRSTEN TÖNNIES: Wenn so etwas passiert, lobe ich die Leute dafür, dass sie das Tier mitgenommen haben. Und wenn da wirklich nichts mehr zu machen gewesen wäre, hätte ich das Tier eingeschläfert. Aber eine Sache ist vielleicht wichtig zu sagen: In einem bestimmten Fall haben Tierärzte recht, nämlich wenn sie sagen, dass man junge Säugetiere nicht anfassen soll. Weil sie sonst von ihrer Mutter nicht mehr angenommen werden. Man muss also immer sicher sein, dass das Tier wirklich Hilfe braucht.
Herr Kost-Stenger, hätten sich Frau Tönnies oder der Tierschützer damit strafbar gemacht?
HANS-JÜRGEN KOST-STENGER: Definitiv nicht! Auch die Auskunft, dass man sich strafbar macht, wenn man Wildtiere entnimmt, stimmt so nicht. Generell soll man zwar keine Wildtiere dem Wald entnehmen, aber mit der Ausnahme, wenn es sich dabei um verletzte Tiere handelt. In dem Fall gibt es eine Ausnahme vom Jagdrecht oder Naturschutzrecht und man dürfte sie sogar gesund pflegen. Aber man muss das Ganze möglichst schnell der zuständigen Behörde melden. Bei jagdbaren Wildtieren ist das die Jagdbehörde beziehungsweise der Revierförster oder Jagdausübungsberechtigte, für alle anderen Tiere die Naturschutzbehörde. Die Kostenfrage ist allerdings eine andere Geschichte.
TÖNNIES: Man kann auch die Polizei rufen.
KOST-STENGER: Die sind aber nur zuständig, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegt – zum Beispiel, wenn der Straßenverkehr gefährdet ist. Schließlich könnte das Tier versuchen, sich auf die Straße zu schleppen. Dann ist die Polizei zuständig und muss das Tier entfernen. In dem Moment würden die dann auch die Kosten übernehmen.
Frau Tönnies, Sie sind Mitglied der Kommission für Ethik in der Bundestierärztekammer. Was ist darunter zu verstehen?
TÖNNIES: Das ist eine Gruppe von Tierärzten, die sich gebildet hat, weil vor zwei Jahren aus der sogenannten Musterberufsordnung (Gesetzgebung der Tierärzte), der Satz: "Der Tierarzt ist der berufene Schützer der Tiere" gestrichen werden sollte. Dagegen gab es Widerstand. In dem Zusammenhang wurde festgestellt, dass Tierärzte noch keine eigene formulierte Ethik haben und dass man die jetzt formulieren sollte.
KOST-STENGER: Diese Musterordnung ist eine tolle Sache. Da steht nämlich auch drin, dass kein Tierarzt einem Tier in Not die Hilfe verweigern darf.
TÖNNIES: In der Ethik-Kommission wird deshalb auch gerade diskutiert, den Satz reinzubringen, dass Tierärzte auch Wildtiere behandeln müssen, sogar, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist.
Werden denn die Beschlüsse der Ethikkommission irgendwann rechtlich verankert sein?
TÖNNIES: Das brauchen wir gar nicht rechtlich verankern. In unserer Berufsordnung ist ganz klar geregelt, dass wir dazu verpflichtet sind, den Tieren zu helfen. Und wer das nicht tut, wird bestraft. Insofern ist es auch interessant, was die Kammer mit den drei Kollegen macht, die dem Fuchs ihre Hilfe verweigert haben. Die müssten normalerweise ein Verfahren bekommen.
Was ist der Unterschied zwischen Haus-, Nutz- und Wildtier? Tier ist doch Tier, oder?
TÖNNIES: Es wird aus wirtschaftlichen Gründen ein Unterschied gemacht. Diejenigen, die Geld mit Tieren verdienen, dürfen alles Schlechte machen und die, welche Geld in ihre Tiere reinstecken, weil sie diese als Begleiter haben, denen werden Vorschriften gemacht.
KOST-STENGER: Einfach gesagt: Tiere sind keine Sachen, sondern mitfühlende Geschöpfe, aber sie werden behandelt wie Sachen. Und als Mensch kann man Sachen besitzen. Die Haustiere und Nutztiere gehören jemandem und sind in der Regel gechipt, es ist also klar, wer eventuelle Kosten übernehmen muss. Das ist bei Wildtieren nicht der Fall, die gehören niemandem. Auch nicht dem jeweiligen Pächter des Landes. Die haben dort nur das Recht zur Aneignung.
Frau Tönnies, lernt man während des Veterinärstudiums ethische Aspekte?
TÖNNIES: Die Studierenden lernen, dass nicht das Tier das wichtigste ist, sondern die Hygiene der Lebensmittel. Ganz neu ist jetzt aber, dass die Ethik an der Hochschule in Hannover in den Lehrplan aufgenommen wurde. Während meines Studiums gab es das noch nicht. Diese neue Entwicklung finde ich ganz toll. Überhaupt passiert gerade, was die ethischen Fragen im Umgang mit Tieren betrifft, ganz viel.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft in so Fällen wie mit dem kleinen Fuchs?
KOST-STENGER: Ich würde mir wünschen, dass der Jagdausübungsberechtigte verantwortlich ist und in so einem Fall die Kosten einer Einschläferung übernehmen muss. Wenn er für den Abschuss und Erhalt der Populationen in seinem Jagdgebiet verantwortlich ist, soll er auch dafür die Kosten tragen müssen.
TÖNNIES: Die Praxis ist wie eine Kirche. Wer es bis dahin geschafft hat, hat auch Anspruch auf Hilfe. Und dass man hilfsbereite Menschen unterstützt, gehört auch zum erzieherischen Auftrag eines Tierarztes.
http://sdp.fnp.de/lokales/kreise_of_gross-gerau/Musste-der-Jungfuchs-aus-Kelsterbach-so-qualvoll-sterben;art688,872853
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Info: Zur Person Die Tierärztin Dr. med. vet. Kirsten Tönnies hat eine Tierarztpraxis in Hattersheim. Sie ist Mitglied der Kommission Ethik der Bundestierärztekammer, Mitglied im Ausschuss Tierschutz der Landestierärztekammer
http://sdp.fnp.de/lokales/kreise_of_gross-gerau/Musste-der-Jungfuchs-aus-Kelsterbach-so-qualvoll-sterben;art688,872853
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