
Zu jedem erlegten Bär bekommt der Schütze nicht nur das Fell als stolze Trophäe, sondern auch ein Kochbuch
Seit Montag läuft sie schon, die sechs Tage dauernde Jagdsaison für Schwarzbären in New Jersey. Doch anders als in früheren Jahren setzen die Wildhüter nicht allein auf die Jagdlust der Bärentöter, sondern auch auf ihren Geschmack, um die anhaltend hohe Population der Raubtiere in den Wäldern des Nachbarstaates von New York zu begrenzen. Denn zu jedem erlegten Tier bekommen die treffsicheren Schützen von der staatlichen Forstbehörde, Devision of Fish and Wildlife, nun nicht mehr nur das Fell als stolze Trophäe für Wand oder Kamin, sondern auch ein Kochbuch geschenkt. Ganz nach dem Motto: Darf es auch einmal Bär sein?
"Der Geschmack ist wirklich gut", versichert Kelcey Burguess, Chefbiologe der Forstbehörde und Initiator der auf den ersten Blick ungewöhnlichen Aktion. "Bär ist ähnlich lecker wie Rindfleisch, aber viel intensiver." Sein persönliches Lieblingsgericht seien die "langsam gegarten Bärenrippchen". Aber auch die "asiatisch zubereiteten Satay Fleischspießchen", die "gegrillte Bärenlende in braunem Zucker", die "Bären-Fleischkloppse" oder einfach ein "klassisches Bärensteak" gehören zu den Highlights der Rezeptesammlung.WERBUNG
Ein Bär in der Pfanne, auf dem Grill oder gar zur Wurst verarbeitet? Nicht nur Fans der zumindest aus der Ferne harmlos und süß anmutenden Säugetiere dürften sich bei dem Gedanken an ein Gericht mit Bärenfleisch abgestoßen und angeekelt fühlen. Und dann auch noch Werbung dafür machen? "Das Ziel ist es nicht, immer mehr Menschen auf den Bärengeschmack zu bringen", erklärt der Biologe und selbsternannte Bärenfleischliebhaber Burguess gegenüber der New York Times. Es gehe vor allem darum, mehr Jäger anzuwerben, die einen Bären erlegen. Nur so könne man die wachsende Population auf ein erträgliches Niveau reduzieren. Denn genau das ist das Problem in den Wäldern im Norden von New Jersey – zu viele Bären, zu wenig Kontrolle.
Ungesunder Bärenbestand
Bereits 2010 warnten die Forstbehörden vor einer kaum noch zu kontrollierenden Bärenpopulation. Damals zählten die Wildhüter mehr als 3600 Tiere. Weniger als die Hälfte, so die Meinung der Experten damals, sei ein gesunder Bestand. Um das Ziel zu erreichen, erlaubte die Regierung fortan jedes Jahr im Dezember für knapp eine Woche die Jagd auf die Bären.
"Im ersten Jahr kamen die Jäger noch aus allen Teilen des Landes", erinnert sich Larry Herrightly von Fish and Wildlife. Insgesamt 592 Bären fielen den Jägern damals zum Opfer. Dabei brauchten die Wildtöter nicht nur eine Sondererlaubnis. Jeder durfte laut Gesetz auch nur ein Tier erlegen.

Auch in Finnland gehört Bärenfleisch zu den Spezialitäten. In Konserven gibt es neben Bärenfleisch auch Elchfleisch und Rentierfleisch
Doch die Begeisterung, nur eine Autostunde vom New Yorker Times Square entfernt auf Bärenjagd zu gehen, hielt nicht lange an. Bereits ein Jahr später zählten die Behörden nur noch 469 getötete Bären. Im Jahr 2012 waren es 287, und im vergangenen Jahr brachten die Jäger gerade noch 251 Tiere zur offiziellen Meldestation der Forstbehörden. Und auch wenn der Bestand um insgesamt 1000 Tiere zurückgegangen ist, leben mit 2600 Bären weiterhin zu viele in den Wäldern von New Jersey. Eine Population, die sich auf immer größere Gebiete ausbreitet und auch dem Menschen gefährlich nahe kommt. Im vergangenen September tötete ein Schwarzbär sogar einen Wanderer – den ersten seit über 160 Jahren.
Fressen oder gefressen werden
Dabei war eine Gruppe von insgesamt fünf Studenten bei einem Ausflug im Apshawa Preserve, 70 Kilometer nordwestlich von New York, von einem knapp 300 Pfund schweren Bären verfolgt worden. Die unerfahrenen Wanderer gerieten in Panik und beschlossen, sich zu trennen und in verschiedene Richtungen davonzulaufen. Dabei wissen erfahrene Hiker, dass Wegrennen genau das Falsche ist.
US-Rancher in den für ihre Bärenpopulation bekannten Nationalparks wie den Yellowstone empfehlen eher das Gegenteil: stehenbleiben, sich totstellen und notfalls kämpfen. Eine Gruppe von fünf Personen hätte der Schwarzbär vermutlich niemals angegriffen. Wegrennen dagegen würde nur den Jagdinstinkt des Tieres wecken. Und außerdem sei der Bär ohnehin viel schneller als der Mensch.
Für den 22-jährigen Darsh Patel war die Trennung von seinen Wanderfreunden eine fatale Fehlentscheidung. Als ein Suchtrupp die Leiche Stunden später fand, saß der Schwarzbär noch immer neben seinem Opfer und bewachte es. Die Polizei musste das Tier erschießen. Patel ist der erste Bärentote seit 1852. Damals streifte allerdings noch viel Großwild durch die Wälder von New Jersey und New York.
"Schwarzbären sind schüchtern und neugierig und nutzen jede Gelegenheit, um an Futter zu gelangen", sagt der Sprecher der Forstbehörde Larry Hajna. Das Männchen, das die Studentengruppe verfolgt hatte, wurde vermutlich von den Müsliriegeln angelockt. "Generell haben die Tiere kein Interesse an Menschen. Sie suchen aber in Müllcontainern und auf Tierfarmen nach Essbarem." Dabei kommt es auch immer häufiger zu gefährlichen Aufeinandertreffen mit den Bewohnern.
Doch ist Abschießen die richtige Lösung?
"Wir haben in den betreffenden Gebieten jede Woche etwa 50 bis 70 Zwischenfälle und Sichtungen", sagt Hajna. In Mildford sei im vergangenen August ein Schwarzbär über ein offenes Fenster in ein Haus eingedrungen und habe nach Essen gesucht. Der Eigentümer habe im ersten Stock geschlafen und wurde von dem Krach des Bären geweckt. "Als er runtergegangen ist, hat er gerade noch den Hintern des flüchtenden Bären im Fenster gesehen", so Hajna.
Dabei gehen diese Begegnungen zwischen Mensch und Tier meist tödlich für den Bären aus. Insgesamt 75 Tiere mussten die Behörden 2014 so bereits erschießen, eine Verdoppelung gegenüber den Vorjahren. "Wir hatten bisher nie mehr als 32 Bären, die nach Aufeinandertreffen mit Menschen getötet werden mussten", sagt Hajna.

Es gibt zu viele Bären in den Wäldern im Norden von New Jersey, deshalb sollen mehr Jäger dort jagen. Nur so könne man die wachsende Population auf ein erträgliches Niveau reduzieren
Für die Gegner der Bärenjagd sind diese Zwischenfälle ein Beweis, dass das Abschießen der Tiere das Problem nicht lösen kann. "Wir sollten lieber dafür sorgen, dass Bären keinen Zugang mehr zu Essensresten in Mülltonnen haben", sagt die Vorsitzende der Animal Protection League, Susan Russell, gegenüber der Nachrichtenwebseite NJ.com. "Wir sind eine Bärenregion und müssen uns entsprechend auch so verhalten." Das gilt offenbar nicht nur für New Jersey, sondern auch für New York, das den Bärenüberfluss ebenfalls zu spüren bekommt. Doch auch hier setzt man in erster Linie auf die Jagd als Kontrollmechanismus, um den weiter steigenden Bestand von bis zu 8000 Tieren drastisch zu reduzieren.
Unfall mit Schwarzbär
Wie nah Bären selbst der Acht-Millionen-Metropole New York kommen, zeigte ein Zwischenfall im vergangenen Oktober. Dabei hatte eine Hundebesitzerin bei einem Spaziergang im Central Park ein totes Schwarzbärenbaby unter einem Haufen von Blättern gefunden. Wie das 44 Pfund schwere Weibchen dort hingekommen war, ist bis heute ein Rätsel. Aus dem Zoo kann es zumindest nicht geflüchtet sein, der nächste Tierpark in der Bronx hat keine Schwarzbären.
Mittlerweile gehen die Forstbehörden davon aus, dass das Tier bei einem Zusammenprall mit einem Auto gestorben sein muss. Die schweren Kopfverletzungen scheinen das zu bestätigen. Wie es aber in den Central Park gekommen ist, bleibt weiterhin unklar. Wurde das sechs Monate alte Schwarzbärenbaby bereits in New Jersey überfahren und von dem Fahrer in New York abgelegt? Oder ist es gar von New Jersey bis nach New York gewandert?
Die Forstbehörden wollen auch das nicht ausschließen.