Die Wildschwein-Population nimmt rasant zu, immer öfter kommen die Tiere in die Städte. Dabei steigen die Abschusszahlen in Bayern seit Jahren.
Auf der Suche nach Futter bleiben Wildschweine nicht nur im Wald, sondern wagen sich auch in heimische Gärten vor.
Wildschwein-Alarm in der Stadt: Solche und ähnliche Meldungen sind längst keine Seltenheit mehr. Erst in dieser Woche hat wieder eine Rotte mit acht Sauen in Augsburg morgendlichem Berufsverkehr eine Großaktion ausgelöst. Die Tiere, die auch zwei Menschen leicht verletzten, mussten erlegt werden.
Im 2000 Hektar großen Lechauwald an der Stadtgrenze haben die Schwarzkitteil ein, wie der Leiter der Augsburger Forstverwaltung, Hartmut Dauner sagt, "ideales Aufmarschgebiet". Wenn im Oktober und November die großen Maisflächen, in denen sie nicht nur Nahrung, sondern auch Deckung suchen, quasi über Nacht abgeerntet sind, seien die Sauen orientierungslos. Werden sie im Wald durch Spaziergänger, Jogger oder frei laufende Hunde aufgeschreckt, flüchten sie in Panik eben auch in die Stadt.
Noch vor sechs Jahren seien Wildschweine im Augsburger Stadtwald kein Thema gewesen, sagt Dauner. Doch inzwischen habe auch hier die Population stark zugenommen.
Bayern als "Eldorado" für Wildschweine
Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, spricht von einem "zentraleuropäischen Problem". Die riesigen Maisfelder seien ein Schlaraffenland, die Wälder mit einer üppigen Buchen- und Eichenmast ein "Eldorado" für die Schweine. Hinzu komme die Klimaveränderung. Vocke: "Früher sind im Winter zwei Drittel der neugeborenen Frischlinge erfroren. Heute überleben fast alle."
Schon längst versuchen Jäger in unermüdlichem Einsatz bei nächtlichen Ansitzen oder Drückjagden die Wildschwein-Bestände zu reduzieren. Das belegen die Zahlen. Im Jagdjahr 2012/2013 wurden in Bayern 65718 Sauen erlegt, 2013/2014 waren es bereits 68679. Zum Vergleich: 1980/81 betrug die Strecke gerade mal 2900 Stück. Die kontinuierliche Steigerungsrate in der Statistik wird nur in Jahren unterbrochen, in denen Frischlinge strenge oder nasskalte Winter nicht überlebten.
Vocke appelliert vor allem an die Landwirte, mit den Jägern und Förstern zusammenzuarbeiten. "Es kann dabei nicht nur darum gehen, Schäden zu regulieren." Vocke fordert schon lange Schussschneisen in Maisfeldern, um die Jagd auf die extrem cleveren Tiere zu erleichtern. Hoffnungen setzt er nun auf ein Symposium mit Jägern, Bauern und Waldbesitzern am 28. November im bayerischen Landwirtschaftsministerium, bei dem die Wildschwein-Problematik zentrales Thema sein wird.
Die Sau verwüstet die Felder, der Jagdpächter zahlt
Viele Abende und Nächte verbringt Konstantin Mayer auf Saujagd in seinen Revieren in Bocksberg und Zusamaltheim (Kreis Dillingen). Es ist ein schwieriges Unterfangen, weil Wildschweine nicht nur schlau, sondern auch äußerst vorsichtig sind. Dass eine Rotte im Schutz der Dunkelheit wieder mal eine Wiese oder ein Maisfeld verwüstet hat, sieht Mayer häufig erst im Lichte des nächsten Tages. Für den angerichteten Schaden muss letztlich der Jagdpächter bezahlen. Mayer fordert einen erhöhten Abschuss in den Waldrevieren. Ansonsten sei das Problem nicht in den Griff zu bekommen.
Allerdings unternimmt mittlerweile auch der Staatsforst enorme Anstrengungen, um die Wildschwein-Bestände zu reduzieren. Etwa bei Drückjagden, bei denen das Wild durch Hunde in Bewegung gebracht und den Jägern zugetrieben wird. Hubert Droste, Leiter des Forstbetriebes Zusmarshausen (Kreis Augsburg), erwartet für dieses Jahr wieder höhere Abschusszahlen. "Nach dem extrem milden Winter ist die Population deutlich gestiegen." Droste sagt zudem, dass bereits Frischlinge mit weniger als zwölf Monaten trächtig seien.
"Die Sauen haben das Land erobert", drückt es Forstmann Hartmut Dauner drastisch aus. Und sie machen – wie in diesen Tagen in Augsburg – auch vor den Städten nicht mehr Halt...