Kosbrunn. Die illegale Jagd hat in Bayern in den vergangenen Jahren wieder zugenommen, das lässt sich auch in Oberfranken beobachten. Oft schießen die Wilderer bequem vom Auto aus auf die Tiere.

Der Täter kann sich die Jagdtrophäe bei mir abholen“, sagt Stefan Schaffer (35), Jäger aus Elbersberg. Aber eigentlich ist die Angelegenheit nicht lustig. Am vergangenen Samstag haben Wanderer nachmittags in seinem Revier Büchenbach-Kosbrunn einen toten Rehbock gefunden. Erschossen – wohl von Wilderern. Und die gibt es laut Bayerischem Jagdverband immer mehr.
Schaffer kannte den toten Rehbock, ein schon älteres Tier. Weil ihm ein Gehörn fehlte, gibt es keinen Zweifel. „Das ist schon eine Sauerei“, sagt Schaffer, der seit fünf Jahren Jagdpächter des 660 Hektar großen Reviers ist. Schon vor zwei Jahren habe es Anzeichen dafür gegeben, dass in dem Revier etwas nicht stimmt: Schüsse wurden gehört, aber bewiesen werden konnte nichts. Jetzt liegt der tote Bock vor ihm, getötet durch den Schuss aus einem Gewehr. Das Geschoss ein großes Kaliber. Eigentlich untypisch für Wilderer.
Sie schießen mit langsamer Munition, um nicht gehört zu werdenDenn die bevorzugen kleine Kaliber, sagt Hartmut Wunderatsch vom Bayerischen Jagdverband, Oberfrankens oberster Jäger. „Meist schießen sie subsonic“, sagt er. Also mit einer Munition, die langsamer fliegt. Die Geschosse sind langsamer als der Schall – das gibt den Wilderern die Sicherheit, nicht gehört zu werden. Denn beim Abdrücken gibt es keinen Mündungsknall. Ein leiser Tod für die Tiere im Wald.
Jäger Schaffer vermutet, dass der Täter sich in seinem Revier auskannte und jagdliche Erfahrung hat. „Er muss gewusst haben, dass es hier keine Hochsitze gibt“, sagt Schaffer. Aber warum hat der Wilderer den Rehbock nicht mitgenommen? „Zu 90 Prozent laufen angeschossene Tiere in den Wald zurück, zehn Prozent flüchten irgendwo anders hin“, sagt Schaffer. Das macht Wildern zur Quälerei. Treffen sie das Tier nicht sofort tödlich, bleiben die kleinen Geschosse oft stecken. Das Tier flieht einem qualvollen Tod entgegen, unter Umständen leidet es sogar jahrelang. Wird ein Tier auf der normalen Jagd nicht richtig getroffen, gibt es die Nachsuche: Die Jäger suchen das verwundete Tier, bis sie es gefunden haben. Ein Wilderer kann das nicht, aus Angst erwischt zu werden. Der Rehbock mit dem fehlerhaften Gehörn war für den Schützen auf der Wiesenlichtung schwer zu finden.
Wilderer kommen meist nachts. Mit ihren Taschenlampen leuchten sie die Wiesen ab. Die angeleuchteten Rehe bleiben einfach stehen. Der Wilderer braucht nur noch abzudrücken. Und das macht er meist bequem von seinem Auto aus, sagt Adolf Reinel, Vorsitzender des Jägervereins Bayreuth. Waren Wilderer unterwegs, sei dies leicht festzustellen. „Fährt man mit dem Auto vorbei, bleiben Rehe normalerweise stehen. Wenn sie aber wegrennen, muss man davon ausgehen, dass unter Umständen Wilderer da waren.“ „In letzter Zeit“ habe er wieder von Vorkommnissen gehört, lange Zeit „war Ruhe“.
Auch Wunderatsch stellt „immer mehr“ fest, dass ungeklärte Schüsse fallen oder verletztes Wild gefunden wird. Erst vor kurzem in der Nähe von Münchberg lag ein totes Reh im Wald, aus dem Keulen herausgeschnitten worden sind. „Man hält das nicht für möglich.“ Aber tatsächlich hat die illegale Jagd in Bayern in den vergangenen Jahren wieder zugenommen, die Tendenz ist steigend: Seit 2011 ist die Zahl der Anzeigen wegen Jagdwilderei um etwa zehn Prozent gestiegen.
Dunkelziffer bei Wilderei ist hochIn der Kriminalstatistik sind 180 Fälle für 2013 ausgewiesen, in Oberfranken gab es laut Polizeidirektion 30 Fälle. „Doch die Dunkelziffer ist viel, viel höher“, sagt der Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, Jürgen Vocke. Zu diesen Fällen zählt allerdings auch, wenn ein Autofahrer ein Stück Wild anfährt – und es ungefragt mit nach Hause nimmt. Oder wenn ein Hund ein Reh reißt und der Besitzer das Tier nicht meldet. Solche Fälle werden laut Wunderatsch oft nur mit einem Strafbefehl geahndet, der meist akzeptiert wird.
Denn „Jagdwilderei“ ist eine Straftat. Das Gesetz sieht Strafen von bis zu fünf Jahren vor. Doch Wilderei führt selten zum Prozess. Die Zeit der großen Wilderei ist vorbei. „Früher war es Essensbeschaffung“, sagt Jäger Reinel. „Aber verhungern muss doch keiner mehr.“ Dabei sei auch ein „gewisser sportlicher Ehrgeiz, die Obrigkeiten auszutricksen“ gewesen, sagt Wunderatsch. Davon ist bei den heutigen Wilderern nichts mehr übrig, die nachts teilweise mit Geländewagen in den Wald fahren. Reinel schätzt, sie würden aus „Gewinnsucht“ handeln und das Fleisch verkaufen. Ein relativ hohes Risiko bei Preisen von maximal 100 bis 150 Euro pro Tier.
Was passiert mit einem toten Tier wie dem Rehbock mit dem fehlenden Geweih? „Der kommt in die Tierkörperverwertung“, sagt Schaffer. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagt Horst Nölkel, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Pegnitz. Er bestätigt, dass es vor zwei Jahren schon einmal Verdachtsfälle auf Jagdwilderei gegeben hat. Es sei aber grundsätzlich schwierig, hier jemanden dingfest zu machen.
Der Bayerische Jagdverband appelliert an die Jäger, sich vor Wilderern zu hüten. Wer einen sehe, solle nur beobachten. Denn es besteht die Gefahr, dass der Wilderer auch auf Menschen ziele, wenn er erwischt wird.
http://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/immer-mehr-wilderer-treiben-ihr-unwesen_301908