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Schweiz: Fischer drängen auf Bejagung der Kormorane

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Wildtiere befeuern die Politik
Aktenzeichen Kormoran ungelöst

Die Schweizer Gewässer bieten gute Lebensbedingungen für Kormorane. Deren Anwesenheit freut aber nicht alle.
Die Schweizer Gewässer bieten gute Lebensbedingungen für Kormorane. Deren Anwesenheit freut aber nicht alle. 

Seit sich der Kormoran in der Schweiz fleissig vermehrt, ist er für viele zum Ärgernis geworden. Der Umgang mit dem Wasservogel ist ein Beispiel dafür, wie schnell sich die Politik gedrängt sieht, Bestände von Wildtieren zu regulieren.

Der «Fall Kormoran» füllt seit Jahren Aktenordner um Aktenordner, treibt Fischer, Vogelschützer sowie Politiker um und beschäftigt hohe Gerichte. Nun soll der wasser- und fischliebende Vogel gar einen eigenen Paragrafen im Dickicht der eidgenössischen Gesetzgebung erhalten. Der Bund will mit einer Revision der Verordnung über die Wasser- und Zugvogelreservate von internationaler und nationaler Bedeutung des Vogels aus der Ordnung der Ruderfüsser Herr werden. Der Titel des neuen Artikels verrät, worum es geht: «Verhütung von Schäden durch Kormorane». Einst in Mitteleuropa fast ausgerottet, haben sich die Bestände des Kormorans seit der Unterschutzstellung vor 40 Jahren im Norden Europas erholt. Das bekommt auch die Schweiz zu spüren, wo der Kormoran nicht geschützt ist. Im Sommer brüten hier mittlerweile über 1000 Paare – 2013 waren es 1233 –, und bis zu 6000 Kormorane überwintern an den Gewässern.

Konkurrenz der Fischer

Dies stört vor allem die Fischer, die sich durch den Fischfresser konkurrenziert sehen. Auch wird befürchtet, dass die Kormorane gefährdeten Fischarten wie der Äsche oder der Nase zusetzen könnten. Seit 1995 gibt es daher einen Kormoran-Massnahmeplan, der 2005 erneuert wurde. Gemäss diesem ist der Kormoran auf grossen Seen über 50 Hektaren vor den Menschen in Sicherheit, an Fliessgewässern und kleinen Seen darf er hingegen vergrämt und bejagt werden. 2012 wurden gemäss eidgenössischer Jagdstatistik 1374 Kormorane erlegt.

Nun soll aber unter Mitwirkung der Kantone eine Vollzugshilfe zur Schadenverhütung, Schadenerhebung sowie zur Regulation der Kolonien in den Schutzreservaten erstellt werden, so wie es das Parlament vom Bundesrat verlangt hatte. Eigentlich fällt der Umgang mit dem Kormoran in die Kompetenz der Kantone. Denn der Kormoran ist jagdbar, und die Jagd ist Sache der Kantone. Doch für Wasser- und Zugvogelreservate, in denen viele der Kormorane ihr Brutgeschäft betreiben, sieht sich der Bund zuständig. Der Bund erhoffe sich durch die Vollzugshilfe eine interkantonale Koordination im Umgang mit dem Kormoran, sagt Reinhard Schnidrig, Chef der Sektion Wildtiere und Waldbiodiversität im Bundesamt für Umwelt (Bafu).

Bestand nicht beeinflussbar

Allerdings gehen die Einschätzungen über das Schadenspotenzial des Kormorans weit auseinander. Während der Schweizerische Fischereiverband regelmässig von einer «Plage der fischfressenden Vögel» spricht, kam ein im Auftrag des Bafu erstelltes Gutachten zu einem weit weniger dramatischen Fazit. Am Neuenburgersee, wo die grössten Kormorankolonien zu finden sind, beträgt der durch die Vögel verursachte Gesamtschaden gerade einmal 1,2 bis 3,9 Prozent des Werts des Gesamtfangs der Berufsfischer. Auch das Bundesverwaltungsgericht befand, dass Kormorane im Neuenburgersee keine untragbaren Schäden verursachten. Trotzdem: In Zukunft könnte der Schaden wegen wachsender Brutkolonien zunehmen, weshalb den Berufsfischern präventive Massnahmen empfohlen werden, wie die Änderung von Arbeitsabläufen und eine verbesserte Entsorgung der Fischabfälle.

Prävention scheint der richtige Ansatz zu sein. Denn es ist nur schwer vorstellbar, wie der Kormoran-Bestand in der Schweiz spürbar reguliert werden könnte, ohne ein Massaker unter den Vögeln anzurichten. Die hiesigen Kormorane seien ein kleiner Teil des mitteleuropäischen Bestandes, dessen Grösse sich kaum beeinflussen lasse, sagt Schnidrig. In der EU ist der Kormoran geschützt. Den Mitgliedstaaten ist ein Bestandeseingriff nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Zwar gibt es auf Anstoss des Europäischen Parlaments Bemühungen um ein länderübergreifendes Kormoran-Management, doch stehen diese erst am Anfang.

Der geplante Schweizer Kormoran-Verordnungsartikel fügt sich in eine Entwicklung, die sich seit geraumer Zeit beobachten lässt. Sei es der Luchs, der Wolf oder der Kormoran: Die Schwelle, bei deren Übertretung sich die Politik bemüssigt sieht, in Tierbestände einzugreifen, liegt tief. Der gesetzgeberische Aktivismus dünkt angesichts der durch die Wildtiere – objektiv betrachtet – kleinen Schäden unverhältnismässig. Im Fall des Kormorans kommt verschärfend hinzu, dass die Eingriffe in Gebieten erfolgen, die explizit dem Vogelschutz dienen.

Keine neuen Schutzgebiete

Die Verordnung über die Wasser- und Zugvogelreservate sollte eigentlich den Schutz derselben und nicht die Eingriffe in diese regulieren, meint Werner Müller, Geschäftsführer des Schweizer Vogelschutzes. Ihn stört, dass im Laufe der jetzigen Verordnungsrevision keine neuen Schutzgebiete ausgeschieden werden sollen, obwohl das Bundesamt für Umwelt dies noch vor einem Jahr angekündigt habe. Derzeit bestehen 11 Wasser- und Zugvogelschutzgebiete von internationaler und 26 von nationaler Bedeutung. 20 weitere Wasservogelgebiete von nationaler Bedeutung sind noch gar nicht der Reservatsverordnung unterstellt und 12 nur teilweise, so Müller.

Schnidrig sagt, dass sich das Bafu um neue Schutzgebiete bemüht habe. Doch anders als bei Reservaten von internationaler Bedeutung könnten solche von nationaler Bedeutung nur im Einvernehmen mit den Kantonen ausgeschieden werden. Solange die Kantone also keine neuen Reservate wollen, sind dem Bund die Hände gebunden.

Schnidrig bestätigt den Eindruck, dass der politische Druck zugenommen habe, Wildtierbestände zu regulieren. Die Kormoran-Vollzugshilfe gehe ja auch auf eine Motion des Parlaments zurück. «Es ist ein Erfolg des Naturschutzes, dass viele Wildtiere wieder zurückkommen», gibt Schnidrig zu bedenken: «Doch sobald sie sich in der Kulturlandschaft bemerkbar machen, entstehen Konflikte. Dies zwingt uns, vermehrt nach pragmatischen Lösungen im Umgang mit Wildtieren zu suchen.»

http://www.nzz.ch/schweiz/aktenzeichen-kormoran-ungeloest-1.18364921

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