Raubtiere? Solange auf jeden Wolf in Deutschland 3500 menschliche Raubjäger kommen, sollte wohl jedem klar sein wo eigentlich das Problem liegt.

Wolfswelpen in Mecklenburg-Vorpommern im Juli 2014: Deutschland beherbergt derzeit etwa 19 Wolfsrudel
In fünf deutschen Bundesländern sind Wölfe inzwischen heimisch geworden. Experten schätzen die Population auf mindestens hundert Tiere. Begegnungen mit dem Menschen bleiben da nicht aus und enden oft tödlich - für die Raubtiere.
Als böser Wolf im Märchen oder als Werwolf im Horrorfilm - Wölfe haben ein schlechtes Image. Doch die Deutschen sollten sich an sie gewöhnen, denn ihre Zahl wächst. "Waren sie erst ein regionales Phänomen in Südbrandenburg und Sachsen, sind sie inzwischen in fünf Bundesländern - und es kommen sicher noch mehr hinzu", sagt Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.
Nach Schätzungen leben derzeit rund 19 Rudel auf deutschem Gebiet - das sind laut Hofer mindestens hundert Wölfe. Die meisten leben nach wie vor in der Lausitz. Vertreten sind sie in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.
Seit die Europäische Union 1992 in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie festgelegt hat, dass Wölfe zu den streng geschützten Arten zählen, sind die EU-Mitgliedstaaten angehalten, die Rückkehr der Tiere auf ihr Staatsgebiet zuzulassen. Eine aktive Förderung etwa durch Züchten und Aussetzen von Wölfen gibt es nicht, doch die Entwicklung der Population wird aufmerksam beobachtet.
Aufwendige Obduktion
Das IZW untersucht jeden toten Wolf, der in Deutschland gefunden wird. Aus diesem Grund tragen Tierpathologin Claudia Szentiks oder einer ihrer Kollegen am Institut ständig das "Wolfo-Fon" bei sich, wie Szentiks es nennt - ein Mobiltelefon, auf dem rund um die Uhr aus ganz Deutschland Nachrichten über gefundene Wolfskadaver eingehen können. Sogar an Heiligabend hat das "Wolfo-Fon" bereits geklingelt, berichtet Szentiks.
Aus dem Weihnachtsfest wurde deshalb zunächst nichts, denn ein toter Wolf bedeutet Arbeit: Eine Computertomografie wird erstellt und anschließend eine Obduktion gemacht. "Erst öffne ich den Magen, dann wird der Thorax (Brustkorb - d. Red.) untersucht und schließlich das Gehirn", erklärt die Pathologin. Proben, etwa von Gewebe und Mageninhalt, schickt sie an andere Forschungseinrichtungen, um möglichst viel über das Tier zu erfahren.
Die häufigste Todesursache in rund drei Vierteln der Fälle ist ein Unfall mit einem Auto, doch auch Abschüsse kommen vor. "Zur Jahreswende hatten wir drei Fälle kurz hintereinander", sagt Szentiks. In einem solchen Fall untersucht sie auch Schusskanäle und Schmauchspuren.
Wolf in Brandenburg erschossen
Als vor einigen Tagen in Lieberose in Brandenburg ein erschossener und enthaupteter Wolf gefunden wurde, landete auch dieses Tier bei Szentiks. Sie habe es untersucht und den Bericht mit dem Befund an die zuständigen Stellen geschickt, erzählt die Expertin. Einen Wolf zu schießen, ist verboten, denn die Tiere sind national und international streng geschützt. "Wir gehen aber von einer hohen Zahl illegaler Abschüsse aus", sagt die Wissenschaftlerin.
Besonders Schäfer und Jäger sind alles andere als begeistert über die Vermehrung der Wölfe. 2013 rissen Wölfe laut einer Statistik des Kontaktbüros "Wolfsregion Lausitz" im sächsischen Rietschen bei 21 Übergriffen bundesweit 56 Schafe und Ziegen. "Durch fachgerecht aufgestellte Zäune kann dies aber vermieden werden", sagt Projektleiterin Vanessa Ludwig vom Kontaktbüro. Die EU hat bereits eine Internetplattform eingerichtet, auf der sich Landwirte und Naturschützer, Jäger, Landbesitzer und Wissenschaftler austauschen können, wie Mensch und Raubtier miteinander auskommen können.
Zudem gibt es in Sachsen bereits einen Wolf-Managementplan der Landesregierung. Doch längst nicht alle Länder sind so weit. Besonders der Westen der Republik hinkt hinterher. Dabei sind einzelne Tiere schon in Schleswig-Holstein gesichtet worden. Neueste Schätzungen gehen von einem stetig wachsenden Bestand in Polen aus, der auch in Deutschland sichtbar werden dürfte. In Polen rechnen Forscher mit 31 Rudeln in diesem Jahr.
IZW-Direktor Hofer fordert deshalb eine zentrale Stelle zur Dokumentation der Wolfsvorkommen in Deutschland. Diese könnte Informationen etwa für Schäfer, aber auch für die allgemeine Bevölkerung ausgeben. Die sollte sich auf keinen Fall vorm Wolf fürchten, sagt Szentiks. "Wer einen trifft, sollte laut reden und sich bewegen - dann nimmt das Tier Reißaus."