Elisabeth Vogel aus Wald beantragt Jagdverbot – es wäre das erste seiner Art im Landkreis Sigmaringen

Vor ein paar Stunden hing der Nebel noch schwer über dem Ruhestetter Ried. Jetzt scheint die Sonne zwischen den Erlen und Birken hindurch, auf die grünbrauen Flächen des Moors. Entwässerungsgräben durchziehen die Wiesen. Das Ried ist Naturschutzgebiet, seit 18 Jahren. Hier darf zwar gejagt werden – aber nur unter strengen Auflagen. Rehe etwa dürfen nicht angefüttert werden. Auf einer kleinen Wiese vor dem Ried allerdings könnte die Jagd bald komplett verboten sein – darüber entscheiden in den kommenden Monaten Gemeindevertreter, Pächter und Anwohner im Kreisjagdamt. Seit Dezember vergangenen Jahres ist das EU-Urteil aus Straßburg nämlich im Bundesjagdgesetz verankert; die Sigmaringer Kreisverwaltung muss also handeln.
Elisabeth Vogel nennt ethische Gründe für Verbotsantrag
„Ich lehne es grundsätzlich ab, Tiere zu töten“, sagt Elisabeth Vogel. Vogel ist Naturschützerin, Vegetarierin und Grundstückbesitzerin. Ihr gehört die kleine Wiese vor dem Ruhestetter Ried. Dazu kommen sechs zum Teil landwirtschaftlich genutzte Flächen in Hippetsweiler und Wald. Besonders Drückjagden, wie unlängst bei Meßkirch – in drei Stunden schossen Jäger 81 Wildschweine – sind Elisabeth Vogel ein Dorn im Auge. „Nicht nur der Mensch hat ein Recht, sich breit zu machen“, sagt sie. Das Urteil des EGMR feierte Vogel als Blattschuss gegen die Jägerlobby. Nur wenige Monate nach dem Richterspruch beantragte sie in Sigmaringen die Befriedung ihrer Grundstücke. Ein paar Wochen später erhielten Vogels Pächter Post von der Kreisverwaltung.
Reinhard Mangel zum Beispiel: Der pensionierte Lehrer ist ein alter Hase, seit 25 Jahren geht er rund ums Ried auf die Pirsch. Den grünen Filzhut trägt er tief im Gesicht, darunter blitzen zwei freundliche Augen hervor – die sich jäh verfinstern, als der Name „Elisabeth Vogel“ fällt. „Früher waren hier überall Gräben, jetzt kann man die Parzellen kaum auseinander halten“, sagt er und zeigt unweit des Moorwaldes auf eine Wiese in der Nähe von Vogels Grundstück. Was passiert etwa, wenn krankes oder angeschossenes Wild auf ihrem befriedeten Grund verendet? „Soll ich es dann etwa seinem Schicksal überlassen?“, fragt Mangel. Schon jetzt finden sich auf den Wiesen und Äckern vor dem Ried allerorts Wildschäden. Mangel befürchtet, dass es nach einem Jagdverbot noch schlimmer werden könnte.
Geregelt sind diese Fragen im „Wildschadensersatzsystem“ der Jagdgenossenschaft. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Leitfaden für Entschädigungen der Grundstückseigentümer. Elisabeth Vogel wäre im Falle einer Befriedung allerdings nicht mehr daran beteiligt. Die zuständige Sachgebietsleiterin im Landratsamt, Anja Schäfer, geht davon aus, dass ihr Grundstück-Pächter vermutlich den Schaden zu tragen hat. „Der Bewirtschafter kann aber versuchen eine Minderung des Pachtpreises geltend zu machen“, sagt Schäfer.
Jäger fürchten Nachahmer sollte die Befriedung genehmigt werden
Zurück in Sauldorf blättert Reinhard Mangel in den Unterlagen der „Akte Vogel“. An der Wand der holzvertäfelten Stube hängen dutzende Rehtrophäen. „Letztlich sind die paar Grundstücke von Frau Vogel nicht so sehr das Problem“, resümiert Mangel, „was wir fürchten sind Nachahmer“, sprich: eine „Zerstückelung“ des Jagdbezirks. Mangel bejagt zusammen mit zehn anderen Jägern ein großes Revier zwischen Wald und Ruhestetten, eineinhalb Hektar davon gehören Elisabeth Vogel. Um bei einer nächtlichen Wildschweinjagd nicht vor jedem Schuss die Eigentumsverhältnisse klären zu müssen, fordern sie eine „lückenlose Kennzeichnung“ von befriedetem Gelände.
Zunächst muss allerdings das Kreisjagdamt Vogels Antrag genehmigen. Dem Vernehmen nach gilt die Zustimmung als sicher – wohl zum Ärger vieler Walder Bürger. Aus dem Rathaus ist jedenfalls zu hören, dass bei einer nicht-öffentlichen Anhörung Grundstücksnachbarn die Befriedung größtenteils ablehnten. Bürgermeister Werner Müller: „Die Pächter und Nachbarn befürchten große Wildschäden durch ein mögliches Jagdverbot.“