Symbolbild
GERICHT Rentner muss sich wegen Verstoß gegen Waffengesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz verantworten
ALSFELD - (hrw). Ein Abgang mit Seltenheitswert im Gerichtssaal. Per Handschlag verabschiedete sich gestern der Angeklagte von Richterin, Schöffen und Staatsanwältin und brachte damit auch optisch zum Ausdruck, was er zuvor schon akustisch getan hatte. Er akzeptierte die Strafe, zu der er wenige Minuten zuvor vom Schöffengericht verurteilt worden war. 4500 Euro muss der 72-jährige Rentner wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zahlen, weil er Waffen und Munition in seinem Besitz hatte, ohne dafür über eine Erlaubnis zu verfügen.
Bei einer Routinekontrolle hatte die Waffenbehörde des Vogelsbergkreises im vergangenen Herbst im umfangreichen, gemeldeten, Waffenarsenal des passionierten Jägers auch zwei Pistolen entdeckt, für die er keinen Waffenschein hatte. Zwei Monate später fand die Polizei bei einer weiteren Kontrolle umfängliche Munitionsvorräte, für die es ebenfalls keinen Erlaubnisschein gab, darunter auch eine Patrone, die, eigens gekennzeichnet und leicht erkennbar, unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt. Aus den Kontrollen resultierten die Anklagepunkte und die Verhandlung.
Von Beginn an räumte der 72-Jährige die Vorwürfe ein, er wisse, sagte er wörtlich, „dass ich Scheiß gebaut habe“. Dass er die Patrone, die ihm jetzt eine spezielle Anklage einbrachte, überhaupt aufbewahrt hat, dafür hatte er gestern, auch für sich selbst, keine Erklärung mehr. „Ich hätte es wissen müssen“, gab er zu, sie eigentlich nicht behalten zu dürfen, zumal er ohne passende Waffe auch gar keine Verwendung für diese Munition hatte. Ein Tatbestand, der sich wiederum als strafmildernd erwies. Die fehlende Waffe für die Patrone machte aus dem Anklagepunkt einen „minderschweren Fall“.
Im Mittelpunkt der Verhandlung aber standen die beiden Pistolen, für die es keinen Waffenschein, aber eine Vorgeschichte gibt. Sie stammen, wie die Polizei dem Angeklagten bei seiner Vernehmung mitteilte, aus einem Diebstahl Ende der 80er Jahre bei einem Waffenhändler im Sauerland. Der 72-Jährige erhielt sie nach seinen Angaben vor zehn Jahren von seinem Bruder, der auf dem Weg in den Urlaub in Thailand ihn bat, sie aufzubewahren. Aus Thailand kehrte der Bruder nie mehr zurück, er starb dort wenige Monate später. Während der Angeklagte nach seinen Worten bis heute bereut, „die Pistolen nicht mit der Flex zerstört zu haben“, machte das Gericht aus seinen Zweifeln an dessen Schilderungen keinen Hehl. Die „Geschichte mit dem Bruder“ könne auch frei erfunden sein, stellte die Richterin fest. „Ich glaube ihm nicht“, machte sie deutlich, dass es in ihren Augen für den Erwerb der Waffe auch andere denkbare Alternativen gibt. Eine Erklärung, die wiederum einen Dialog mit dem Verteidiger des Angeklagten auslöste. Die von der Richterin als „unbequemes Hinterfragen“ bewertete Befragung des 72-Jährigen hatte in den Augen seines Verteidigers einen anderen Charakter. „Sie unterstellen“, hielt er der Richterin vor. Die Situation beruhigte sich, mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwältin, noch im Gerichtssaal nahmen alle Beteiligten das Urteil an, ehe es zu der nicht alltäglichen Verabschiedung kam.