„Rot ist tot“
Weil Schonungen nicht mehr durch Zäune geschützt werden sollen, wird in manchen Forstrevieren offenbar radikal Jagd auf Rot- und Rehwild gemacht.

Bambi hat es schwer in Brandenburg. Weil Schonungen nicht mehr durch Zäune geschützt werden sollen, wird in manchen Forstrevieren offenbar radikal Jagd auf Rot- und Rehwild gemacht. Dieser Zeitung liegen Protokolle von Besprechungen aus dem ehemaligen Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft vor, in denen es heißt: „Die Jagd ist der Schlüssel für das zukünftige erfolgreiche Wirtschaften und die Erreichung der jagdbaulichen und finanziellen Ziele. Die Produktion von Trophäenträgern und das Aufstellen von Zäunen gehört nicht dazu.“ Geplant sei eine spürbare Senkung von Wildbeständen.
„Bis vor drei Jahren war Rotwild bei uns tagaktiv, jetzt ist es nur noch in tiefer Nacht, weil im benachbarten staatlichen Revier mit einer Ausnahmegenehmigung Tag und Nacht gejagt wird“, sagt etwa Achim Gasper, der Jagdpächter im Revier Eichholz bei Märkisch Buchholz ist. „Im Landesforst wird alles abgeknallt, was man sich vorstellen kann.“ Es gelte geradezu das Motto: „Rot ist tot.“ Jens-Uwe Schade, Sprecher im Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, sieht das naturgemäß etwas anders. „Richtig ist, dass der Landesbetrieb Forst Brandenburg schon im Waldprogramm 2011 erklärt hat, dass man langfristig auf Zäune im Wald verzichten will“, sagt Schade auf Nachfrage dieser Zeitung.
Zwischen Jagdorgie und Wilderlebnisgebiet
Auch Privatwaldbesitzer, die die Jagd selbst ausüben, erhalten keine Förderung mehr für Wildschutzmaßnahmen. „In den großen Landeswaldflächen, etwa der Ruppiner Schweiz, der Gegend um Halbe, der Schorfheide und dem Spreewald, wird schon heute auf Zäune verzichtet“, sagt Schade. „Um junge Bäume zu schützen, muss dort aber der Bejagungsdruck entsprechend erhöht werden.“Aus Sicht von Wolfgang Bethe, dem Präsidenten des Landesjagdverbands, kommt es beim Thema Jagd vor allem auf die regionalen Gegebenheiten an. In Brandenburg gebe es Gebiete, wo das Rehwild und das Rotwild in zu hohen Beständen vorkomme. Dort müsse der Bestand in einem erträglichen Maß gehalten werden. „Das Problem bei Wildschäden ist aber nicht nur die Höhe des Wildbestands“, sagt Bethe. Es gehe auch um die Störung etwa durch Spaziergänger. Wenn das Wild tagsüber im Wald Schutz suchen muss, und nicht zum Äsen auf Freiflächen treten könne, würden junge Stämme geschält und junge Pflanzen vernichtet. „Das ist ein alter Konflikt zwischen Jagd und Forst“, sagt dagegen Gregor Beyer, der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. „Wenn man einer waldbaulichen Zielsetzung folgt, und Holz produzieren will, ist es am Besten, wenn der Wildbestand so niedrig wie möglich ist – je mehr Wild, desto mehr Pflanzen werden aufgefressen.“ Jägern dagegen verbiete schon die Jagdethik, so viele Tiere wie möglich zu erlegen. „Es kann nicht sein, dass wir alles totschießen, damit der Wald sich so stark verjüngt, wie möglich“, so Beyer. „Es kann aber auch nicht sein, dass wir reine Wilderlebnisgebiete bekommen.“
http://www.svz.de/bb-uebersicht/bb-politik/rot-ist-tot-id10273466.html