Der laxe Umgang der Politik mit der Rückkehr der Wölfe macht Jäger wütend. Wie sehr, erlebt Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck. Unter Beschuss nimmt ihn auch der bekannteste Jäger des Nordens.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) unterstützt eine Kampagne des Naturschutzbunds gegen das Bild vom "bösen Wolf"
Es ist so ein Tag, an dem Robert Habeck froh ist, endlich wieder nach Hause fahren zu können. Ruhig, geduldig, empathisch, argumentativ, entgegenkommend hat Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister versucht, seine Positionen zu erläutern.
Die eingeschränkten Jagdzeiten, die das Niederwild vor der Ausrottung schützen sollen. Die Umstellung auf bleifreie Munition, die helfen könne, den Schadstoffeintrag in die Nahrungsmittel zu reduzieren. Und vor allem Schleswig-Holsteins Wolfsmanagement, das er von der Vorgängerregierung geerbt habe und das er möglichst unbürokratisch handhaben wolle.
Habeck hat das alles auch in das große Ganze eingeordnet, in die ewige Debatte zwischen den alten und den neuen Naturschützern. Zwischen den Jägern und den Fischern und den Bauern auf der einen und der Ökobewegung auf der anderen Seite. Eine moralische Überlegenheit, doziert der Minister, sollten weder die einen noch die anderen für sich reklamieren. "Wir kommen nicht weiter, wenn einer für sich die Wahrheit beansprucht."
Für ein Grußwort, das er eigentlich beim Jahrestreffen des Landesjagdverbands halten sollte, hat Robert Habeck an diesem Sonnabendnachmittag schon viel zu lange gesprochen. Jedes einzelne Streitthema zwischen Jägern und Naturschützern zerlegte er in seine Details. Er hat Verständnis signalisiert und um Verständnis geworben. Er ist nicht fordernd aufgetreten, sondern fördernd. Leise, beharrlich, ein bisschen verärgert über die "Notgemeinschaft", die die Jäger frühzeitig mit den Bauern und den Fischern gegründet haben, um sich gegen seine Politik zu wehren.
Grüne Politik wird als Respektlosigkeit empfunden
Habeck ist den vielleicht 250 im Saal zwei der Holstenhallen in Neumünster versammelten Verbandsvertretern trotzdem wieder entgegengekommen, hat versucht, ihnen seine Politik des Zweifels zu erklären, deren Kern eine Abkehr von den Gewissheiten ist, ein Öffnen der alten Schützengräben, eine Politik des Diskurses. Genutzt hat das alles gar nichts.
Schleswig-Holsteins Jäger, das wird sehr deutlich, sind schwer verärgert über die Politik der rot-grünen Landesregierung, also über Habecks Politik. Die empfinden die Jäger nicht als Angebot, sondern als persönlichen Angriff, als ungerechtfertigte Maßregelei, als völlig unnötige Einmischung der Politik in eine seit Jahrhunderten funktionierende Symbiose zwischen Mensch und Natur. Als Respektlosigkeit gegenüber den Jägern. Man ist deshalb auch nicht eben zimperlich mit Vorwürfen.
Die Grünen, Habecks Partei, machen sie hier indirekt dafür verantwortlich, dass Jäger heutzutage Morddrohungen von fanatischen Tierschützern erhalten. Gerade in den vergangenen Wochen, das berichtet Verbandspräsident Klaus Hinnerk Baasch, seien solche Schreiben wieder eingegangen, nur weil der Verband gegen den von seinen Mitgliedern als falsch empfundenen Naturschutz-Mainstream opponiere und die Wiederansiedlung des Wolfs in Schleswig-Holsteins Kulturlandschaft nicht begrüße.
Abschuss des Wolfs soll ins Jagdrecht
Die Jäger würden dem Wolf im Zweifel gerne einen auf den Pelz brennen, seinen möglichen Abschuss im Jagdrecht des Landes verankern. Sie sind sich ziemlich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Tiere nicht nur Schafen, sondern irgendwann auch einmal einem Menschen an die Kehle gehen.
Habecks Politik, so der unausgesprochene, aber für jeden im Saal greifbare Vorwurf, nehme das Risiko Wolf nicht ernst. Der grüne Minister wäre aus Sicht der Jäger also verantwortlich, wenn eines Tages tatsächlich etwas passiert.
"Ich möchte nicht in Habecks Haut stecken", sagt Peter Harry Carstensen. Der Ex-Regierungschef, seit drei Jahren außer Diensten, hat vor ein paar Tagen erlebt, was so passieren kann in diesen Tagen: 28 Schafe sind in unmittelbarer Nähe seines Wohnsitzes auf Gut Schierensee gerissen worden. Vieles deutet darauf, dass ein Wolf und kein Hund das Blutbad angerichtet hat.
Carstensen setzt sich für Munition mit Blei ein
Die Untersuchungen laufen noch, aber Zweifel, dass so etwas in Deutschland wieder möglich ist, hat mittlerweile niemand mehr. Und bei den Jägern, auch bei Carstensen, ist ziemlich klar, wer dafür verantwortlich ist: grüne Naturschützer und ihre aus Sicht des Landesjagdverbands ziemliche irrsinnige "Willkommenskultur" für den Wolf.
Der laxe Umgang der Landesregierung mit dem zurückgekehrten Märchen-Bösewicht ist nicht das einzige Thema, bei dem Carstensen den von ihm eigentlich geschätzten Grünen-Politiker heftig aufs Korn nimmt. Auch die von Habeck verfügte und ab Mai geltende Verpflichtung der Jäger zur Nutzung bleifreier Munition treibt den Christdemokraten auf die Zinne.
Die Waffentechnik sei noch lange nicht so weit, dass mit bleifreier Munition präzise gejagt werden könne. Dies habe zur Folge, dass die Tötungsrate sinke und getroffene Tiere häufiger lange leiden müssten. "Euer Gesetz", sagt der Ex-Ministerpräsident mit Blick auf seine eigenen Erfahrungen mit bleifreier Munition, "ist eine staatliche Genehmigung für Tierquälerei."
Die Trophäenschau erlebt der Minister nicht mehr
In diesem Ton geht es munter weiter in den Holstenhallen. Keine Spur von Diskurs, vom Versuch aufeinander zuzugehen, auch die Argumente des anderen zu schätzen. Kein Entgegenkommen. Kein Verständnis. Nicht von Carstensen, erst recht nicht vom Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes, Hartwig Fischer, der vor einer Zerstörung des Jagdrechts warnt.
Am Ende droht Landesjagdpräsident Baasch der Landesregierung noch mit Demonstrationen. Die 15.000 Mitglieder des schleswig-holsteinischen Landesjagdverbandes würden sich weitere Drangsalierungen nicht bieten lassen. Der Minister solle sich also nicht wundern.
Dann begeben sich Teilnehmer des Jahrestreffens zur traditionellen Trophäenschau. Robert Habeck, der hier in Neumünster so etwas wie der böse Wolf gewesen ist, ist da längst nicht mehr dabei.