Leidenschaft von Vater und Großvater geerbt
Dieser Mann rollt auf die Jagd
Glonn - Er hatte bei einem Einsatz mit der Freiwilligen Feuerwehr einen schweren Verkehrsunfall. Seitdem ist Hans Wagner (62) aus Glonn querschnittsgelähmt. Doch das hält ihn nicht von seiner großen Leidenschaft ab: Der Jagd.
"Und das da oben, das sind die Hauer von einem Warzenschwein, das ich vor 20 Jahren in Namibia geschossen habe", sagt Hans Wagner (62) mit leuchtenden Augen. An der Wand über der Treppe vor ihm ist kaum ein Fleck frei, zwischen all den Köpfen und Geweihen von Tieren, die Wagner in den letzten Jahren erlegt hat. Typisch Jäger ist er stolz auf seine Trophäen - nur, dass der vierfache Familienvater kein typischer Jäger ist. Er ist seit seinem 24. Lebensjahr querschnittsgelähmt.
Bei einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr Glonn hatte er damals einen schweren Verkehrsunfall, spürte ab dem Hals nichts mehr. Es dauerte Jahre, bis er seine Zehen wieder bewegen konnte. Zehn Jahre später konnte er mit Krücken wieder gehen. Da entschloss sich der Glonner dazu, den Jagdschein zu machen.
Auch Wagners Großvater und Vater waren Jäger. In dritter Generation ist der Bauzeichner und Bautechniker Pächter eines 540 Hektar großen Niederwildreviers bei Glonn. Seit einem Bandscheibenvorfall hat er Krücken gegen Rollstuhl getauscht. Eigentlich dürfte er deshalb vom Auto aus jagen - tut er aber nicht. "Da würde mir das Naturerlebnis fehlen. Beim Jagen schießt man eigentlich selten. Die meiste Zeit beobachtet man die Tiere oder hört den Vögeln zu." Also helfen ihm sein Sohn Hansi (23) oder einer seiner "Jägerspezis" bei gemeinsamen Ansitzen auf dem extra breiten Hochsitz.
"Ich habe mich gefühlt wie der Papst in seinem Papamobil"
Trotzdem wird der "Huberwirt", wie Wagner in seiner Heimat Glonn wegen der ehemaligen Wirtschaft seiner Familie genannt wird, neugierig, als er von einem barrierefreien Jagdgebiet hört. Im staatlichen Jagdrevier Tamási in Südungarn wurde alles dafür getan, die Jagd für Rollstuhlfahrer so angenehm wie möglich zu gestalten. Im Oktober machten sich Hans Wagner Senior und Junior auf den Weg dorthin.
Hans Wagner in dem barrierefreien Jagdgebiet in Ungarn.
In Tamási angekommen, stellt sich heraus, dass Wagner der erste Gast im Rollstuhl ist. "Alle waren sehr bemüht. Sogar das ungarische Fernsehen hat gedreht", staunt er. Noch am selben Tag macht sich Wagner mit Jagdführer Attila auf den Weg in den Forst. Ihre Mission: Einen Damhirsch erlegen. Für Wagner wäre es der erste.
Über eine Erdrampe gelangt der Jäger mit ein wenig Hilfe problemlos auf die Ladefläche eines Pick-ups, wo sein Rollstuhl an zwei Schienen mit Spanngurten festgemacht wird. Während der Fahrt kann er entspannt die Natur bewundern. In die wetterfeste Plane, die an einem Gestell festgemacht ist, sind Fenster eingelassen. "Ich habe mich gefühlt wie der Papst in seinem Papamobil", sagt Wagner grinsend. Nahe des Brunftplatzes der Dam-schaufler halten sie an. Auf Kunststoffmatten fährt Wagner mit dem Rollstuhl zum Ansitzplatz.
"Die Tiere waren immer von Ästen verdeckt"
Mit Attila wartet er still, bis die ersten Damschaufler in Sichtweite kommen. Doch entweder ist ein Baum im Weg oder der Hirsch zu jung, das Geweih zu groß. "Trotzdem hat es sich gelohnt. Ich konnte den Hirschen zusehen, wie sie die Bäume und Sträucher mit dem Geweih bearbeiteten bis die Fetzen flogen. Und die Luft vibrierte von ihren Brunftlauten", erzählt Wagner. Mit seinem Jagdkollegen wartet er bis es dunkel wird. Dann fahren sie zurück zur Unterkunft. "Die haben wirklich alles durchdacht und perfekt organisiert. Auch das Zimmer war behindertengerecht."
Tags darauf versuchen Attila und Wagner gleich nach dem Mittagessen erneut ihr Glück am Brunftplatz der Hirsche. Schon bald hören sie das "Rülpsen" der Schaufler. Einige kommen den Jägern ganz nah. "Obwohl die extra den störenden Baum vom Vortag für mich abgeschnitten hatten, konnte ich nicht schießen. Die Tiere waren immer von Ästen verdeckt", sagt Wagner. Doch dann geht alles ganz schnell. Zwei Hirsche kämpfen. Von rechts kommt rasch ein Damhirsch angelaufen, legt sich in seine Kuhle. Attila erteilt die Abschussfreigabe. Wagner drückt ab. Der Schaufler fällt im Knall.
Überglücklich wartet der Jäger auf Attila und seinen Helfer Janos. Sie bringen den Schaufler zu ihm. Mit Stolz erfüllt nimmt Wagner den Erlegerbruch entgegen. Er steckt sich den Zweig an den Hut.
Mit nach Hause nimmt Wagner die Erinnerung an eine Jagd ohne Probleme und Einschränkungen Er ist sich sicher: "Ich fahre wieder nach Tamási!" Bis dahin bleibt ihm das imposante Geweih seines ersten Damschauflers, das bald zwischen Trophäen aus der ganzen Welt hängen darf.
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