
(Konz) Mehrere Bewohner des Konzer Tälchens haben in den vergangenen Wochen weiße Wildtiere gesehen. Der Trierische Volksfreund hat nachgehört, wo die Tiere, die irrtümlich für Rehe gehalten wurden, herkommen. Sie sind aus einem privaten Gehege ausgebrochen und verwildert.
Ein weißer Schatten huscht durch die Weinhänge bei Konz-Niedermennig. Dieter Klever, Ortsvorsteher der Konzer Tälchens, hält seinen Wagen auf der Kreisstraße 135 zwischen Konz-Niedermennig und der B 268 an und macht durch das Fenster seines Autos ein Foto. Am Bildrand ist das weiße Tier auch nach der Bearbeitung des Bildes nur schemenhaft zu erkennen. Er habe das „weiße Reh“ am frühen Sonntagabend vor anderthalb Wochen erstmals gesehen: „Davon wird schon seit geraumer Zeit gesprochen, aber es gab noch kein Bild davon“, sagt Klever.
Wenige Tage später hat er einen weiteren Augenzeugen gefunden: Jupp Lenz aus Trier-Feyen. Lenz, dem der Betrieb Farbenscheune in Obermennig gehört, fährt oft zwischen Trier und dem Tälchen hin und her. Er hat an einem Wäldchen nahe der K135 Richtung Tälchen einen besseren Schnappschuss von dem rätselhaften Wildtier gemacht.
Früher halb zahm im Gehege
Revierförster Martin Bee weiß auf TV-Anfrage direkt Bescheid, worum es sich handelt. Das Tier, das die beiden erwischt haben, sei Damwild – eine Hirschart. „Die Tiere stammen aus einem privaten Gatter im Konzer Tälchen“, sagt er. „Sie wurden dort halb zahm zur Fleischproduktion gehalten.“ Irgendwann seien die Tiere ausgebrochen. Er schätzt, dass noch drei oder vier weiße Hirsche in seinem Revier unterwegs sind. Die Besitzer der Tiere hätten inzwischen kein Interesse mehr, sie wieder einzufangen.
Damit sind die Hirsche nach Paragraf 960 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herrenlos – die Verantwortung liegt dann bei den Jägern und der Jagdbehörde. Das Amt bei der Trier-Saarburger Kreisverwaltung bestätigt, dass der Ausbruch des Damwilds schon im Januar 2013 gemeldet worden sei. Wie groß der Bestand sei, wisse der Kreis nicht, sagt Verwaltungssprecher Thomas Müller auf TV-Anfrage. Weil der Besitzer keinen Anspruch mehr auf die Tiere erhebe, gelten sie wieder als wilde Tiere. Die Tiere seien somit „zum Abschuss freigegeben“. Das heißt, dass der Jagdpächter sie wie jedes andere Wildtier in dem Revier erlegen darf.
Förster Martin Bee erzählt, dass er 2014 schon einmal zu einem weißen Hirsch gerufen worden sei, der sich in einem Netz im Weinberg verfangen habe. Damals habe er das Tier befreit und an einen Baum gebunden. Dann sei ein Jäger gekommen und habe es getötet. Laut Kreisjagdmeister Rolf Kautz gibt es im Kreisgebiet gar kein Damwild – nur in Gehegen. „Wir wollen es auch nicht haben“, sagt er. Mit Muffel-, Rot- und Schwarzwild lebten schon drei Schalentierarten im Kreis – das reiche aus. Damwild kommt häufiger in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern vor. „Es gibt Färbungen in allen Variationen von schwarz bis weiß“, sagt Kautz. Weiße Hirsche – Albino-Mutationen – seien nicht selten. Deshalb würden sie auch zum Abschuss freigegeben. Anders sei das mit weißen Rothirschen, um die sich manche Legende rankt (siehe Extra). Kautz: „Solche Tiere gab es bei uns bisher noch nie.“
Extra: ABERGLAUBEWeiße Rothirsche haben für Jäger eine mystisch-religiöse Dimension. Einerseits gibt es die Legende vom heiligen Hubertus, dem Schutzpatron der Jäger. Sein Attribut ist ein weißer Hirsch mit einem Kreuz im Geweih. Andererseits kursiert in der Jagdwelt der Aberglaube, dass ein Jäger, der einen weißen Rothirsch tötet, innerhalb eines Jahres entweder selbst stirbt oder ein Familienmitglied verliert.