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Channel: Der Anti-Jagdblog - News über Jagd & Wildtiere
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Ökologische Jäger wollen in Thüringen mit konsequentem Abschuss Wild und Wald in Einklang bringen

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Auch in Thüringen gibt es nun einen Verein ökologischer Jäger. Ihr Hauptziel: Wild und Wald wieder in Einklang bringen - per konsequentem Abschuss
  Die Neustädter Forstamtsleiterin Roswitha Leber zeigt vom Wild verbissene Jungbäume in einem Wald nahe Pößneck. Archivfoto: Jens Voigt Die Neustädter Forstamtsleiterin Roswitha Leber zeigt vom Wild verbissene Jungbäume in einem Wald nahe Pößneck. 

Arnstadt/Bad Berka. Krasser können die Größenunterschiede zwischen zwei Interessenvertretungen im gleichen Bereich kaum sein: Rund 8500 Mitglieder zählt der hiesige Landesjagdverband, ältester seiner Art in Ostdeutschland. Ganze 28 Köpfe vereint aktuell der Ökologische Jagdverein Thüringen (ÖJV); dafür aber ist er noch ziemlich neu:

Erst vor zwei Wochen bescheinigte das zuständige Finanzamt dem ÖJV die Gemeinnützigkeit, vor einigen Tagen traf man sich zur ersten Veranstaltung nach der Gründung im Juni: Im Tautenburger Forst diskutierten die Mitglieder über die nächsten Aufgaben und sorgten mit tüchtiger Nachfrage am Grill dafür, "dass bald wieder etwas geschossen werden muss", wie der Vorsitzende Matthias Hellmund auf Nachfrage launig erklärt.

Wildbiologisch sinnvolle Jagd angestrebt

Ökos, die Tiere schießen? Nein, das sei kein Widerspruch, erklärt Hellmund, der im Brotberuf Naturschutz-Referent beim Landesverwaltungsamt ist. "Wir wollen eine naturnahe und wildbiologisch sinnvolle Jagd, um ökologisch verträgliche Wilddichten zu erreichen", erläutert er. Forstverwaltungen und Waldbesitzer beklagen seit langem die viel zu hohen Bestände an Rot- und Rehwild wie auch bei Wildschweinen oder Mufflons. Jüngste Schäl- und Verbiss-Untersuchungen von Thüringenforst hatten in etlichen Regionen des Freistaats nachgewiesen, dass der Baum-Nachwuchs gerade der besonders wertvollen Laubhölzer dem hungrigen Wild großteils, in einigen Gegenden sogar komplett zum Opfer fällt. Förster wie auch Landwirte und Waldbesitzer drängen deshalb auf ein stärkeres Bejagen. "Es geht um eine nachhaltige Nutzung der nicht in ihrem Bestand gefährdeten Wildarten", betont der ÖJV-Chef; gleichzeitig setze man auf Jagdmethoden, die das Wild insgesamt weniger unter Stress setzen und den Wald als Biotop schonen. Der ÖJV bevorzuge zum Beispiel die Intervalljagd, bei der längere Zeiträume der Ruhe im Wald mit kurzen Phasen intensiver Bejagung wechseln, wobei auch Ansitz- und Bewegungsjagden gleichzeitig oder in kurzer Wiederholung stattfinden. "Wir ziehen lieber kräftig und heftig durch als lang und lasch", so der ÖJV-Präsident. Auch sonst, so Hellmund, seien die Öko-Jäger "konsequenter beim Schießen", weil es ihnen weniger um die Trophäe gehe, sondern die Bestandsregulierung im Vordergrund stehe. "Sehr verkürzt ausgedrückt, steht für uns der naturnahe Lebensraum Wald im Mittelpunkt, während es beim Landesjagdverband eher die Interessen der Jäger sind", verdeutlicht Hellmund den Unterschied. Wobei man sich nicht etwa als Gegenpart zu den konventionellen Waidmännern und -frauen verstehe. In nächster Zeit solle auch das Gespräch mit dem LJVT gesucht werden, um gemeinsame Interessen und Handlungsfelder auszuloten. Mit Naturschutzorganisationen und Behörden sei man bereits in Kontakt, auch um ein Nahziel zu erreichen: Innerhalb der nächsten drei Jahre will der ÖJV einer der anerkannten Naturschutzverbände in Thüringen sein und damit einer der Träger öffentlicher Belange, die zum Beispiel bei Genehmigungsverfahren für Großbauten oder der Ausweisung von Schutzgebieten angehört werden müssen. Ein weiteres Ziel, für das sich der ÖJV ausweislich seiner Satzung stark machen will, ist die "Erhaltung aller autochthonen Wildarten", jener Arten also, die in Thüringens Wäldern wirklich seit jeher heimisch und nicht zugewandert sind oder aus wirtschaftlichem Interesse angesiedelt wurden. Von daher könne es in seinem Verein auch keine "Interessengemeinschaft Muffelwild" wie beim LJVT geben, erklärt Hellmund und formuliert rigoros: "Das korsische Wildschaf gehört auf seine Insel, nicht in unseren Wald." Desgleichen Waschbär, Nutria oder Marderhund. Allerdings sei jenen mit herkömmlichen jagdlichen Methoden schon nicht mehr beizukommen, muss Hellmund einräumen. Zum einen, weil zumindest der Waschbär schon so massiv in menschliche Siedlungen eingerückt sei, dass sich simples Abschießen häufig verbietet. Zum anderen gerate der Marderhund fast nur im Sommer vor die Flinte, wenn sein Fell wenig taugt und er sich um die Jungen kümmert. "Wenn Sie dann auf ein Tier anlegen, dann schießen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Elternteil weg", erläutert der Jäger, "und das will ja keiner."

Konflikt zwischen Theorie und Realität

 

Ökologisches Jagen birgt offenbar auch ethische Konflikte in sich. Zudem kollidiert der theoretische Anspruch bisweilen mit der schieren Realität. So wäre aus ÖJV-Sicht das Ausmerzen der viel zu starken Fuchsbestände zumindest dort notwendig, wo sich der Mensch um das Wiederansiedeln etwa des Auerhuhns bemüht. Allerdings müsste es dann zum Beispiel am Rennsteig bei Unterweißbach, wo neulich Auerwild ausgewildert wurde, auch den entsprechenden Lebensraum geben, mit Heidelbeer-Teppichen in weiter Heidelandschaft am besten. "Wo der Lebensraum weggeholzt wurde, macht das Wegschießen von Fressräubern wenig Sinn", findet Hellmund. Anders beim Wolf, dessen Ankunft bei Ohrdruf vor wenigen Wochen bejubelt wurde. Der finde genug Raum in Thüringen, meint der ÖJV. Und hat deshalb in seiner ersten Pressemitteilung überhaupt den "Mitjäger" freudig begrüßt. Und ein Klischee vom Öko-Jäger stimmt dann doch: Hellmund schießt bleifrei. Für ihn gebe es keinen Zweifel, dass Blei in Schrot und Kugeln nicht nur im Wald liegenbleibe, sondern auch in die Nahrungskette wandere, mit gravierenden Folgen. "In Mecklenburg-Vorpommern habe ich genug Seeadler gesehen, die an Bleivergiftung krepiert waren", erklärt er. Zwar koste die bleifreie Kunststoff-Munition, die vom Landesjagdverband strikt abgelehnt wird, gut das Dreifache gegenüber der herkömmlichen. "Aber als ich mit dem Rauchen aufhörte, hat meine Frau gesagt, das gesparte Geld könnte ich doch dafür verwenden", erinnert sich Hellmund

http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Oekologische-Jaeger-wollen-in-Thueringen-mit-konsequentem-Abschuss-Wild-und-Wald-1606240913

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