Verden · Hannover. Die niedersächsischen Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt haben den Entwurf für eine Novellierung der Jagdzeitenverordnung angekündigt. Ein Kompromiss, der sowohl dem Schutz der Gänse als auch den Interessen von Jägern und Landwirten gerecht werden soll.
Saatgänse: Die Jagd auf sie soll ganzjährig verboten werden.
Noch vor der nächsten Vogelzugsaison im Herbst soll die neue niedersächsische Jagdzeitenverordnung in Kraft treten. Lange haben die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt um einen Kompromiss gerungen, der sowohl dem Vogelschutz als auch den Interessen von Landwirtschaft und Jägern gerecht werden soll. Nachdem die schwarz-gelbe Vorgängerregierung die Jagdzeiten ausgeweitet hatte, will Rot-Grün diese nun zumindest teilweise wieder einschränken. Nicht nur bei Naturschützern, Jägern und Landwirten ist der Kompromiss umstritten, auch innerhalb der Regierungskoalition gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Grünen hätten gern mehr Vogelschutz, während zumindest Teile der SPD den Jägern nicht zu viele Einschränkungen zumuten wollen.
„Die von der Vorgängerregierung betriebene Ausweitung der Jagdzeiten nehmen wir als untauglich teilweise zurück. Mit der Neueinführung des modernen Instruments der Intervalljagd sorgen wir stattdessen für eine bessere Lenkung der Gänse und eine Reduzierung der landwirtschaftlichen Fraßschäden“, sagte Landwirtschaftminister Christian Meyer (Grüne). Der neu geschaffene Begriff der Intervalljagd ist Kern des Kompromisses. Demnach sollen Jagd- und Ruhezonen in den Hauptrastgebieten der Gänse während des Vogelzuges im Oktober und November im Rhythmus von zwei Wochen wechseln. Meyer spricht von einem „modernen Gänsemanagement“. Die Jagd auf Bläss- und Saatgänse soll ganzjährig verboten werden, weil sie vom Aussterben bedrohten Arten – wie beispielsweise der Zwerggans – ähneln. So will der Minister verhindern, dass die Tiere verwechselt und versehentlich abgeschossen werden.
Gänseforscher Helmut Kruckenberg aus Verden begrüßt die ganzjährige Schonzeit für Bläss- und Saatgänse, denn ihm liegt die Zwerggans ganz besonders am Herzen. Von der Idee der Intervalljagd hält er dagegen gar nichts. „Das ist eine flächendeckende Dauerbeunruhigung für die Gänse.“ Kruckenberg kann sich nicht vorstellen, wie der Wechsel der Jagdareale in der Praxis funktionieren soll und fragt: „Wer will das kontrollieren?“ Für den Verdener Gänseforscher ist es ohnehin ein Unding, dass wilde Gänse in den EU-Vogelschutzgebieten überhaupt gejagt werden dürfen.
Die Jäger hingegen wehren sich gegen Einschränkungen in Schutzgebieten. Die ostfriesischen Jägerschaften, die von den Schutzgebieten besonders betroffen sind, haben mehr als 6000 Unterschriften gesammelt und der SPD-Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder aus Bunde (Kreis Leer) übergeben. Modders Heimat ist das Rheiderland, ein ausgewiesenes Rastgebiet für Zugvögel. Sie gilt als Unterstützerin der Jäger.
Die Landesjägerschaft, die mehr als 50 000 Jäger im Bundesland vertritt, indes will sich erst zur geplanten Novelle der Jagdzeitenverordnung äußern, wenn ihr der Entwurf vorliegt. Dazu Präsident Helmut Damman-Tamke: „Die Legislative hat zu liefern. Solange ich die Details nicht kenne, werde ich mich nicht äußern.“ Der Lobbyist fürchtet Eingriffe in das Eigentumsrecht seiner Verbandsmitglieder.
Für Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) ist die Novelle „ein Kompromiss, der in die richtige Richtung geht“. Er setzt sich dafür ein, dass überwinternde Gänse hierzulande ungestört rasten können. Durch die Einschränkung im Jagdrecht komme man diesem Ziel ein deutliches Stück näher.
Auch dem Naturschutzbund NABU geht der Kompromiss nicht weit genug. „Die Jagd auf Gänse müsste während der Zugzeit eigentlich auch außerhalb der Schutzgebiete verboten werden“, sagte der NABU-Landesvorsitzende Holger Buschmann. Etwaige Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen ließen sich durch die Gänsejagd ohnehin nicht verhindern. Große Schäden entstünden dort, wo Nonnengänse rasteten. Diese Art sei aber eu-ropaweit geschützt und dürfe sowieso nicht gejagt werden. Nicht zuletzt würden die Landwirte für Fraßschäden durch Gänse vom Land Niedersachsen entschädigt – jährlich insgesamt 5,7 Millionen Euro für 21 000 Hektar.
Gänse waren laut Wattenrat in den 1960er-Jahren massiv bedroht. Nonnengänsen drohte gar die Ausrottung. Inzwischen hätten sich die Bestände erholt, von einer explosionsartigen Vermehrung aber könne keine Rede sein, sagt Sprecher Manfred Knake. Zudem habe es in den vergangenen Jahren häufig Jagdverstöße gegeben. Der Wattenrat fordert ein generelles Jagdverbot in den Schutzgebieten. Knake wirft der rot-grünen Landesregierung vor, dass sie vor der Jägerlobby eingeknickt sei: „Minister Meyer ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger der Jäger gelandet.“ Diese neue Jagdzeitenverordnung sei eine Bankrotterklärung für den Naturschutz in Niedersachsen.