Städtischer Forstbetrieb will Jagd künftig selbst betreiben und Abschusszahlen verdoppeln.
Auf der Abschussliste: Die Jagdverträge mit vier Pächtern sollen zum März 2016 auslaufen.
OFFENBURG. Die Stadt wird die Jagd im Stadtwald Richtung Autobahn und L 98 künftig in eigener Regie betreiben. Die Verträge mit vier Jagdpächtern sollen ab April 2016 nicht verlängert werden. Diese Empfehlung an den Gemeinderat beschloss am Montag der Technische Ausschuss mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen. Hintergrund sind starke Verbissschäden durch Rotwild im städtischen Auwald, die durch höhere Abschusszahlen reduziert werden sollen. Darüber liegen Jagdpächter und Stadtverwaltung im Clinch.
ANGRIFF AUF DIE JÄGEREHRE
Vorausgegangen war eine zweistündige, teils sehr emotionale Diskussion. So erklärte der Donaueschinger Forstfachmann Jens Borchers, der für die Stadt ein Gutachten zu Verbissschäden vorgelegt hatte, dass beim derzeit praktizierten System der Jagdverpachtung die von Jägerseite angegebenen Abschusszahlen nicht überprüfbar seien. Der 80-jährige EhrenKreisjägermeister Frank Eisenlohr als eines der Mitglieder der Jagdpächtergemeinschaft wertete das als Anschuldigung und Angriff auf seine Ehre als Jäger.
Es geht um eine Fläche von 1150 Hektar im Westen der Stadt, den ehemaligen alten Stadtwald. Die Abteilung Forstwirtschaft der Technischen Betriebe Offenburg (TBO) beklagt dort zu hohe Verbissschäden Rehe. Laut Peter Zink, Bereichsleiter Wald bei den TBO und TBO-Chef Axel Müller verhindert das eine naturnahe Waldbewirtschaftung mit natürlicher Verjüngung. Dadurch seien bestehende Zertifizierungen für das dortige Holz gefährdet und weitergehende Zertifizierungen nicht zu erlangen. Die Verwaltung geht andererseits davon aus, dass nicht zertifiziertes Holz weniger erlöst.
DIE PFLANZZAHLEN
Die Ansätze zur Naturverjüngung sind laut Gutachter Borches gut. Dennoch verhindere der starke Verbiss die Regeneration des Waldes durch Naturverjüngung. Um den Bestand zu sichern, müsse gepflanzt werden. Dabei würden etwa 3000 Pflanzen pro Hektar gesetzt und durch Schutzzäune vor Verbiss geschützt. Bei der Naturverjüngung hingegen gehen pro Hektar 100 000 Sämlinge auf. Deren Artenvielfalt sei größer, sagt Zink, sie seien resistenter und besser verwurzelt. Das stelle eine ökologische Verbesserung des Waldzustandes dar.
DIE ABSCHUSSZAHLEN
Peter Zink möchte, dass mehr als die bisher 120 Rehe pro Jahr geschossen werden. Im Raum stand die Zahl von 240 Abschüssen pro Jahr. Der Streit um die Abschusszahlen währt seit mindestens zwei Jahren. Laut Borchers dürften nicht nur Böcke geschossen werden, sondern die "Vermehrungsträger" – also die weiblichen Rehe. Die Verbisssituation bezeichnete er als "dramatisch". Er empfahl, die Pachtverträge auslaufen zu lassen und die Jagd neu zu strukturieren.
STADT: KÜNFTIG REGIE-JAGD
Das Mittel, das die Stadt ab 1. April 2016 einsetzen will, um die Population des Rehwildes zu drastisch zu verringern, ist die Regie-Jagd. Dabei sollen die 1150 Hektar städtischer Auwald in zehn Bezirke unterteilt und an Inhaber von "Begehscheinen" – die Jäger sein müssen – vergeben werden. Diese Scheine gelten für jeweils ein Jahr. Bei Verpachtung sind aus gesetzlichen Gründen Verträge mit einer Laufzeit von weniger als neun Jahren nicht zulässig. Die Stadt will sich aber nicht mehr so langfristig binden, denn sollte die Verbisssituation sich nicht ändern, hätte sie bei einer Verpachtung erst ab 2025 wieder Handlungsfreiheit. Die Tatsache, dass im angrenzenden Staatswald seit zehn Jahren die Regie-Jagd betrieben wird und dort die Verbissschäden deutlich geringer sind, war ein wesentliches Argument für den Technischen Ausschuss, es ebenfalls mit diesem Instrument zu versuchen.
So liegt im Staatswald der Starkverbiss bei der Eiche – einem wichtigen Baum im Auwald – bei 31 Prozent, im Stadtwald liegt er bei 51 Prozent. Müller stellte klar, dass die Forstwirtschaft eine Priorität habe. Durch den Wegfall der Pachtverträge gehen 8000 Euro an Einnahmen verloren, auch muss die Stadt in jagdliche Infrastruktur investieren. Die Kosteneinsparungen durch wegfallende Neupflanzung plus deren Schutz schätzt die TBO auf 100 000 Euro, das Gutachten spricht von bis zu 280 000 Euro pro Jahr an eingesparten Kosten.
JÄGER: STADT SCHEITERT
Die Jagdpächter kritisieren, dass der Holzertrag zu stark in den Vordergrund rückt. 240 Abschüsse pro Jahr seien nicht zu machen. Das Wild werde durch Freizeitnutzer massiv gestört. "Ich sehe das Reh zwei Sekunden, dann ist es wieder weg, weil sich ein Jogger nähert", erklärte einer der Pächter. Seitens der Jagdpächter habe man alles probiert, Drückjagden wie Ansitzjagden, aber die Situation sei schwierig, auch wegen des Zuschnitts des Reviers. Die Jäger gehen davon aus, dass die Stadt mit ihrem Plan scheitern wird. Die geforderten Abschusszahlen seien allenfalls im ersten Jahr der Regiejagd zu erreichen, danach nicht mehr.
http://www.badische-zeitung.de/offenburg/jaeger-im-clinch-mit-stadt--87540786.html