Die Kelsterbacher Tierschützerin Judith Wagner wollte einem Fuchs helfen, der schwer verwundet im Wald gefunden wurde. Laut Gesetz ist das nicht erlaubt. Deshalb fand sie auch keinen Tierarzt, der ihr Vorhaben unterstützte.Was für barbarische Jagdgesetze sind das, die es verbieten verletzten Wildtieren zu helfen? Statt jägerisches Nazigut aus dem 3 Reich zu schützen sollten lieber Tiere geschützt werden.
So ähnlich sah der Fuchs aus, dem Judith Wagner helfen wollte.
Kelsterbach.
Die einen wollen helfen und machen sich strafbar, die anderen helfen nicht und machen sich nicht strafbar. Judith Wagner, Vorsitzende des Tierschutzvereins Kelsterbach, stehen die Haare zu Berge. Sie kritisiert die deutsche Gesetzgebung, die aus einer Zeit unkontrollierter Fallen- und Wilddieberei stamme und klar besage, dass sich derjenige juristisch strafbar und sogar schadenersatzpflichtig mache, "der sich ein Wildtier aus freier Wildbahn aneignet" – und sei es nur, um bei Verletzung zu helfen – sei es ein Jungvogel, der aus dem Nest gefallen ist und der sich zu Hause gesund pflegen ließe, ein Bussard oder ein Eichhörnchen.
"Das Hirn hört auf zu denken" und "Das weiß jedes Kind nach drei Tagen im Kindergarten, dass man kein Wildtier anfasst", muss sich Wagner nun von Roger Bührer, Leiter der Tierklinik "Am Stadtwald" in Frankfurt vorwerfen lassen. Doch was war passiert?
Zertrümmerter Kiefer
Wagner war am Vormittag des 22. März von einem Passanten über einen angefahrenen Fuchs neben der B 43 informiert worden. Schwer verletzt und apathisch flüchtete er in einen Garten, wo ihr und zwei Kolleginnen des Tierschutzvereins der Zugriff auf das Tier gelang. Sein Unterkiefer war zertrümmert und hing herunter, die meisten Zähne fehlten. Deshalb war der Fuchs offenbar schon tagelang nicht mehr in der Lage zu fressen und er war völlig abgemagert.
Wagner hätte den Fuchs nicht angefasst, wenn auch nur das geringste Indiz für Tollwut bestanden hätte. "Ich weiß, wie Tiere mit Tollwut aussehen", sagt sie und erinnert daran, dass sie lange Jahre Leiterin des Tierheims in Rüsselsheim war, wo ihr derartige Fälle untergekommen sind.
Also schnappte sie Reineke und suchte einige Tierärzte auf, um ihn auf Kosten des Tierschutzvereins von seinem Leid erlösen zu lassen. Nicht nur dort wurde die Einschläferung abgelehnt, sondern auch in der erwähnten Tierklinik in Frankfurt – jeweils mit dem Hinweis, dass sich die Tierärzte strafbar machen, wenn sie den Fuchs erlösen würden. Schließlich gehöre Wagner der Fuchs nicht – und für eine tierärztliche Behandlung sei die Genehmigung des Eigentümers erforderlich. Also nahm Wagner ihn wieder mit. Schließlich verendete das Tier qualvoll.
Jedes an Myxsomatose erkrankte Kaninchen, das ebenfalls vor dem Gesetz als jagdbares Wild gilt, wird laut Wagner von Tierärzten eingeschläfert. Weil ihr schleierhaft erscheint, weshalb ein Fuchs nicht erlöst wird, für den jede medizinische Hilfe zu spät kommt, wandte sie sich wegen unterlassener Hilfeleistung an den Landestierschutzbund. Von dort wurde Wagner geraten, Anzeige bei der Landesärztekammer gegen die Tierärzte und -klinik zu erstatten, die dem Fuchs nicht geholfen hatten. "Das mache ich natürlich nicht", so Wagner – denn sie ist immer wieder auf die Hilfe der Tiermediziner angewiesen.
Nun fürchtet sie sogar, dass sie dem Förster als Eigentümer des toten Fuchses gegenüber juristisch schadensersatzpflichtig ist. Wagner geht wegen dieser Gesetzgebung auf die Barrikaden – auch wegen der Formulierung "Wer sich ein Wildtier aneignet". "Ich habe mir den Fuchs nicht angeeignet, ich wollte ihm nur helfen."
Wer trägt die Kosten?
Und genau das treibt wiederum den Chefarzt der Tierklinik "Am Stadtwald" in Frankfurt auf die Palme. Wer ein Wildtier aus der Flur entwende, mache sich strafbar – sei es auch nur in guter Absicht.
Die Einschläferung des Fuchses sei in seiner Klinik abgelehnt worden, weil auch Wagner – die er seit vielen Jahren dank persönlicher Zusammenarbeit kennt – trotz ihrer Erfahrung nicht habe erkennen können, ob der Fuchs vielleicht Tollwut im Endstadium gehabt habe. Das müsse so gewesen sein, denn sonst wäre er nicht in die Nähe eines Autos gekommen. Freilich seien Tierärzte gehalten, Leiden abzukürzen. Doch wer mit einem Wildtier komme, der sei sich offenbar gar nicht darüber klar, wer die Kosten für die Behandlung trage.
Darüber hinaus müssten Wildtiere in eine Isolationsstation – und die Frage sei, ob und wie sie danach wieder ausgewildert werden könnten. Es werde immer toller, heutzutage wolle jeder verletzten Wildtieren helfen. "Vor dreißig Jahren wäre niemand auf diese Idee gekommen", so Bührer. Darum appellierte er, Vernunft walten zu lassen und keinen "blinden emotionalen Aktivismus" zu betreiben.
http://www.fnp.de/lokales/kreise_of_gross-gerau/Keine-Erloesung-fuer-verletzten-Fuchs;art688,821712