NÜRNBERG - Aufregung über den Abschuss von Wildkaninchen: In Zabo haben sich Karnickel angesiedelt - zur Freude der Anwohner. Jetzt wurden 28 Tiere bei einer nächtlichen Jagd getötet.
Gar nicht scheu: In vielen Großstädten, so auch in Nürnberg, sind Wildkaninchen inzwischen eine vertraute Erscheinung.
Der Jäger hatte in der Pastoriussiedlung ein leichtes Spiel: Die Wildkaninchen waren an Menschen gewöhnt. „Wir haben sie gefüttert. Unsere friedlichen, fast schon zutraulichen Wildkaninchen hoppelten auf den Wiesen zwischen den Wohnblocks der ehemaligen amerikanischen Siedlung herum“, erzählt Anwohnerin Karin Liewald. Bis zur vergangenen Woche.
Die Hausverwaltung des Nachbarblocks hatte nach einer Eigentümerversammlung den Stadtjäger gerufen. Freitagnacht gegen 23 Uhr, als sich die Straßen leerten, zog er mit zwei Helfern los und streckte mit einer schallgedämpften, kleinkalibrigen Waffe nach eigenen Angaben 28 Tiere nieder - darunter auch mehrere trächtige Weibchen. Eine Anwohnerin alarmierte die Polizei.
Sorgfältig geplantKnapp vier Stunden dauerte die Kaninchenjagd. Jeder Schuss wurde sorgfältig geplant. „Lieber lass’ ich zehn Karnickel sausen, als einen Schuss abzugeben, der Schaden anrichtet“, sagt Stadtjäger Gert Hügel. „Wenn etwa in der Nähe ein Auto steht, hat sich die Sache schon erledigt“, fährt der 59-Jährige fort.
Die Jagd stieß auf Unverständnis. „Es war ein großes Idyll. Die Kaninchen saßen oft bei uns im Garten. Es ist nicht einzusehen, warum so brutal vorgegangen wurde“, empört sich Liewald. „Ich finde es nicht gut, dass hier nachts Jäger herummarschieren“, kritisiert Nachbar Lothar Vogel, der sich wie viele Anwohner über die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ empört. „Wir sind hier doch nicht in Wald und Flur, sondern mitten in einer Wohnsiedlung“, ereifert er sich.
„Laut unseren Erkenntnissen war das Vorgehen rechtlich in Ordnung“, kommentiert Robert Pollack vom Ordnungsamt den Fall. „Aber es ist eben ein sehr sensibles Thema.“ Beim Stadtjäger handelt es sich übrigens um keinen städtischen Beschäftigten, sondern um einen Nürnberger Jäger.
Die Stadt hat Gert Hügel vor über zehn Jahren eine unbefristete Ausnahmegenehmigung erteilt. Mit dieser darf der 59-Jährige in befriedeten Bezirken - wo normalerweise die Jagd tabu ist - Marder, Füchse, Waschbären, Wildkaninchen und Rabenvögel abschießen. Der Stadtjäger macht sich vorher bei Tageslicht ein Bild von der Situation, berichtet Pollack. Ferner benötigt er auf Privatgrund die Einwilligung beziehungsweise den Auftrag des Eigentümers. Um unnötigen Ärger zu vermeiden, informiert der Stadtjäger im Vorfeld die Polizei über seine Einsätze.
Im Fall der Pastoriussiedlung hat eine der zuständigen Hausverwaltungen, die Lichtenhof Immobilien Verwaltung GmbH, den Stadtjäger beauftragt, die Kaninchenpopulation einzudämmen. Auf Nachfrage unserer Zeitung nach den genauen Gründen, lautet die knappe Antwort: „Das ist Sache der Eigentümergemeinschaft.“
Keine SchonzeitEs gibt einige große Wildkaninchenpopulationen im Stadtgebiet, die eine Ausbreitung von typischen Kaninchenkrankheiten mit sich bringen können, berichtet Amtsvize Pollack, „aber ein Problem mit diesen Tieren haben wir nicht“. Das Bayerische Jagdgesetz sieht keine Schonzeit für Wildkaninchen vor, sie dürfen ganzjährig geschossen werden. Doch der Stadtjäger spricht bei seinem jüngsten Einsatz von einer Ausnahme: „Eigentlich schieße ich von März bis Ende Oktober nicht auf Wildkaninchen - wegen der Jungen.“
Seine Abschussbilanz für das im März endende Jagdjahr: rund 200 Wildkaninchen, knapp 30 Steinmarder und fünf Füchse. Hinzu kommen angefahrene und verletzte Rehe oder auch Wildschweine. Auf die Frage, warum er diese ehrenamtliche Arbeit ausübt, entgegnet Hügel: „Teils aus Passion, zum Teil, weil das ja jemand machen muss.“
Kritisieren die Abschussaktion: Karin Liewald (re.) und Lothar Vogel mit Nachbarinnen an einem verlassenen Kaninchenbau.
Es gibt immer wieder Probleme mit dem Thema Jagen in Nürnberg, weiß Robert Pollack. „Zum einen sind die Ängste der Bürger verständlich, zum anderen braucht man eine Bejagung.“ Zuletzt sorgte ein Jäger im Dezember 2012 für Schlagzeilen, als er in Rehhof eine Hündin niederstreckte, die er angeblich mit einem Fuchs verwechselt hatte. Der Vierbeiner war nicht angeleint, sein Besitzer befand sich in nächster Nähe. Die Polizei ermittelte. Am Ende kassierte der Jagdpächter einen Strafbefehl und gab seinen Jagd- und Waffenschein ab.
Der Vorfall ereignete sich in einem der elf Nürnberger Jagdreviere. Es wurden damals Forderungen laut, die Jagd in der Nähe von Wohngebieten zu untersagen. Das Amt erklärte das Gelände in Rehhof, wo viele Menschen mit ihren Hunden Gassi gehen, schließlich zum befriedeten Bezirk.
Robert Pollack möchte diese beiden Fälle nicht miteinander vergleichen, da es sich um „völlig unterschiedliche Vorgehensweisen“ handle. Doch die Ängste der Anwohner sind die gleichen. Karin Liewald, selbst Hundebesitzerin, kennt in der Pastoriussiedlung viele Leute, die um 23 Uhr noch mit ihrem Vierbeiner Gassi gehen. Und betont: „Es hinterlässt ein ungutes Gefühl, wenn hier nachts geschossen wird.“