Rendsburg-Eckernförde
Im Kreis liegt ein Antrag auf Jagdverbot aus Gewissensgründen vor. Mit 90 Hektar betrifft das die größte Fläche im Land.
Geht die Sonne für Jäger unter? Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bewirkte eine Gesetzesänderung.
Rendsburg | Die Änderung des Jagdgesetzes ist erst wenige Monate alt, doch sie könnte schon bald Auswirkungen auf den Kreis Rendsburg-Eckernförde haben: Seit Ende des Jahres 2013 können Grundbesitzer die Jagd auf ihrem Eigentum ablehnen. Einer der landesweit 23 Anträge dazu betrifft auch den Kreis – mit der von allen größten Fläche. Jäger befürchten nun weit reichende Folgen durch die neue Gesetzeslage.
Günter Wischnewski, Leiter der Kreis-Ordnungsverwaltung, bestätigte, dass ein Antrag über ein Gebiet von 90 Hektar vorliegt. "Das ist die größte Fläche in Schleswig-Holstein", sagte Wischnewski. Seine Abteilung muss als Untere Jagdbehörde darüber entscheiden. Doch der wichtigste Teil des Antrags fehlt noch. "Der Antragsteller hat noch keine ethischen Gründe dargelegt", so der Ordnungsamtsleiter. Diese Begründung ist zentraler Bestandteil der geänderten Rechtslage, die auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Juni 2012 zurückgeht. Das hatte ein Grundbesitzer und Jagdgegner erwirkt, der das Erschießen von Wildtieren auf seinem Eigentum nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Darauf können sich nun alle Besitzer von Feld-, Wald- und Wassergrundstücken berufen, die nach deutschem Recht unweigerlich Mitglied in der Jagdgenossenschaft vor Ort werden, damit die flächendeckende Bejagung möglich ist. Wer nicht selbst jagt, konnte bislang die Fläche verpachten. Nun ist aber aus ethischen Gründen auch die Befriedung möglich.
Nach Informationen der Landeszeitung liegt die Antragsfläche im Gebiet der Kreisjägerschaft Rendsburg-Ost. Die erstreckt sich mit zehn Hegeringen von der Hohner Harde im Westen bis zur Kieler Stadtgrenze südlich des Nord-Ostsee-Kanals im Osten. Im Süden reicht das Gebiet fast bis an die Stadt Neumünster heran. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft, Jürgen Scheel, befürchtet erhebliche Auswirkungen, sollte eine zusammenhängende Fläche von 90 Hektar von der Jagd ausgespart werden. Von großen Revieren mache das durchaus einen Anteil von zehn Prozent aus. "Wenn eine solche Fläche dominant liegt, kann sie die ordnungsgemäße Jagd unmöglich machen. Das Wild würde sich dorthin zurückziehen", sagte er. Das neue Gesetz wird ihm zufolge zum Problem, wenn die Jäger den Bestand nicht mehr regulieren können. Innerhalb von zwei bis fünf Jahren rechne er dann mit Folgen: "Bei Überpopulationen entstehen Krankheiten wie der Fuchsbandwurm oder die Tollwut. Durch die intensive Beobachtung haben wir in den letzten Jahrzehnten keine Fälle gehabt. Dass die Krankheiten weitgehend ausgemerzt sind, ist aber die Leistung der Jäger", sagte Jürgen Scheel. Wenn nicht mehr flächendeckend in den Bestand eingegriffen werden könne, komme es zudem häufiger zu gefährlichen Situationen auf der Straße durch Wildwechsel und zu Schäden in der Landwirtschaft durch Schwarzwild.
Jürgen Scheel zufolge kollidiert die neue Regelung mit bestehenden Gesetzen. Für Wildschäden in der Landwirtschaft hafte schließlich eigentlich der Jagdpächter. Auch die durch das Tierschutzgesetz vorgeschriebene Nachsuche verletzter Tiere sei auf befriedeten Grundstücken dann nicht ohne weiteres möglich, er dürfe sie mit Waffe gar nicht betreten. "Das geänderte Gesetz kann das gesamte Jagdwesen auf den Kopf stellen", sagte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft.
http://www.shz.de/lokales/landeszeitung/gesetz-stellt-jagdwesen-auf-den-kopf-id6038516.html