Der Luchs ist im solothurnischen Jura schon geraume Zeit heimisch. Die Auswirkungen auf die übrigen Wildtiere seien aber massiv, berichtet Jagdaufseher und Jäger Adolf Hess aus Rüttenen. «Das Konzept Luchs des Bundes soll nicht infrage gestellt werden», sagt er. Doch die im Gesetz festgehaltene, angemessene jagdliche Nutzung der Wildbestände sei nicht mehr gewährleistet.
Die Anzahl der geschossenen und verunglückten Tiere im Hegering Leberberg (von Grenchen bis Flumenthal) ging in den letzten 30 Jahren um 52 Prozent zurück. Lag in den 80er-Jahren die jährliche Fallzahl bei 374 sind es heute noch 177 Tiere. Zudem werde das Rehwild in tiefere Lagen verdrängt.
Als Ursache vermutet er den Luchs. «In den unteren Lagen, wo kein Luchs lebt, nimmt der Rehbestand zu.» Dies stelle er aufgrund von Beobachtungen fest, so komme es vermehrt zu Verkehrsunfällen.
Grosse Absturzgefahr
Beweisen könne Adolf Hess indes die andere Auswirkung. Das Gamswild stellt sich in unzugänglichere und schwieriger zu bejagende Gebiete um. «Die Gämsen ziehen sich in die Felsen zurück. Der Luchs hat schon gerne felsiges Gebiet, aber er liebt es nicht, im nackten Fels zu jagen. Die Absturzgefahr ist ihm zu gross.» Als Konsequenz zeigt sich auch bei der Anzahl der Gamswild-Abgänge (inklusive Fallwild) ein Rückgang von 30 Prozent.
In den 80er-Jahren wurden im Hegering Leberberg jährlich 40 Gämsen erlegt. Heute sind es noch 28 Tiere pro Jahr. «Den sinkenden Abschusszahlen von rund 40 Prozent steht eine Steigerung des Pachtzinses um etwa den gleichen Prozentsatz gegenüber», sagt Adolf Hess.
Mark Struch vom Amt für Wald, Jagd und Fischerei weist auf die natürliche Feindvermeidung der Gämsen hin. «Das Gamswild zieht sich in Anwesenheit von Grossraubtieren in felsige Gebiete zurück.» Gämsen sind in Felsen sicherer vor Beutegreifern wie dem Luchs oder auch dem Wolf. Dennoch stimmt Struch zu: «Lokal kann der Einfluss des Luchses für Jagdgesellschaften spürbar ausfallen.» Frisst doch der Luchs ein Tier in der Woche, zu 90 Prozent Rehe und zu 10 Prozent Gamswild. «Diese Tiere fehlen natürlich.»
Andererseits besteht ein sogenannter «Luchsgeld-Pool» beim Kanton, mit welchem der Einfluss der Raubkatze auf Schalenwild den betroffenen Jagdrevieren entschädigt wird. Rund 15 Prozent des Gesamtpachtzinses werden jährlich ausgeschüttet.
Im Gebiet Balmberg-Weissenstein sind dieses Jahr mehrere Skelette von Reh und Gämse gefunden worden, weiss Adolf Hess. Da die beiden Luchse Adin und B301 neben anderen sich regelmässig in diesem Gebiet aufhielten, sei anzunehmen, dass die meisten dieser Opfer zulasten der Luchse gehen.
Luchskonzept wird überarbeitet
«Die Luchsdichte ist zu hoch», ist Hess überzeugt. Das Intensiv-Monitoring 12/13 von Kora ergab eine geschätzte Dichte im geeigneten Luchshabitat von 2,07 selbstständigen Luchsen pro 100 km2. «Uns ist viel weniger versprochen worden.» Kora-Mitarbeiter Urs Breitenmoser weiss nichts von einem Versprechen, was die Luchsdichte angeht, sagt aber, dass genau diese Frage diskutiert wird. «Das Luchskonzept wird aktuell überarbeitet.»
Eingriffe seien bisher nur erfolgt bei Übergriffen auf die Nutztiere. Neu müssten vier Punkte zutreffen, damit Eingriffe möglich sind. Der Luchsbestand muss ansteigend sein, der Wildbestand sinkend, ein Zusammenhang muss nachgewiesen werden, und Eingriffe beim Luchsbestand dürften keine Waldschäden durch das Schalenwild zur Folge haben. «Die Förster haben nicht gerne zu viel Schalenwild im Wald. Da stellt sich schon die Frage: Ist es möglich, dass allen gedient werden kann?»
Die Luchsdichte sei bekannt, die Bestände des Schalenwildes schwierig zu erfassen. Weil ein Nachweis sehr schwierig sei, diskutiere man die Einführung eines bestimmten Wertes für die Luchsdichte. «Dieser Wert müsste spezifisch für die Gegend sein», fordert Urs Breitenmoser.
Hess befürchtet illegale Aktionen
Mark Struch gibt zu bedenken, dass die Luchsdichte grundsätzlich nicht ins Unermessliche steigen kann. «Der Luchs, männlich oder weiblich, verteidigt sein Territorium gegenüber Artgenossen.» Wer in den Auseinandersetzungen den Kürzeren zieht, wird schwer verletzt oder gar getötet oder muss zum Beispiel vom Jura ins Mittelland abwandern. «Am meisten sterben junge Luchse auf Wanderschaft bei Unfällen mit Fahrzeugen», so Struch.
Die Akzeptanz für den Luchs sei in Jagdkreisen stark am Sinken, weiss Hess. Er befürchtet illegale Aktionen. «Wir Jäger können, müssen und wollen mit Raubtieren leben, sind aber nicht bereit, immer mehr Kosten und Leistungen für den Kanton und die Allgemeinheit zu übernehmen.» Er sei aber gegen den Abschuss von Luchsen. Er befürworte Umsiedlungen.