
Wolf greift Menschen an - diese Horrorvorstellung sollte im April in der Lüneburger Heide Wirklichkeit geworden sein. Doch wie sich nun herausstellt, ist der Wolf völlig unschuldig.
Die Geschichte über den vermeintlichen Wolfsangriff auf einen Jäger in Boitze begann mit einem Paukenschlag. Ein Wolf, so sagte es der Jäger Ralf K. damals der Zeitschrift "Jäger", habe ihn beinahe das Leben gekostet. Es sei das erste Mal gewesen, dass ein Wolf in Deutschland Menschen attackiere. Als der Jäger in der Nacht zu Ostersonntag einen Hochsitz hinunterkletterte, sei das Tier mit offenem Maul auf ihn "zugerast". In letzter Sekunde habe er seine Pistole gezückt, vor den Wolf auf den Boden geschossen und ihn damit vertrieben. Der Bericht machte Schlagzeilen. Tageszeitungen und Fernsehmagazine sprachen von einer "neuen Dimension". Dass da tatsächlich ein Wolf so atypisch auf einen Menschen zuraste, stellte offenbar niemand infrage. Bis die CDU-Fraktion, wie die "taz" nun berichtet, eine Anfrage im Niedersächsischen Landtag stellte. Und in der Antwort auf diese Anfrage wurde bekannt, dass ein Gutachten des Umweltministeriums zu folgendem Schluss kommt: Einen Wolfsangriff gab es in Boitze mit Sicherheit nicht.
Wenzel: "Keine Wolfsfährte am Hochsitz gefunden"
Das Ministerium habe die Spuren auf dem betreffenden Acker in Boitze wochenlang analysiert, den professionellen Fährtenleser Joscha Grolms dorthin geschickt. Und dann das: "Die Schilderungen des Jägers sind mit den durch Spuren nachvollziehbaren tatsächlichen Vorkommnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen. In unmittelbarer Umgebung des Orts des geschilderten Geschehens fand sich keine Wolfsfährte", so Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) auf die Anfrage der CDU-Fraktion.
War es vielleicht ein Fuchs?
Auf eine "Caniden-Spur", sprich: die Spur eines hundeartigen Tieres, stieß der Fährtenleser aber doch - 24 Meter vom Hochsitz entfernt. Sie soll in Trab vom Hochsitz weggeführt haben, Hinweise auf einen Galopp habe es keine gegeben. Den hätte es aber geben müssen, wäre der Wolf auf jemanden "zugerast". Eine DNA-Analyse von Haaren am Hochsitz hätte darüber hinaus ergeben, dass dort auch ein Fuchs umher streifte. Auch von diesem fand der Fährtenleser nahe des Hochsitzes Spuren. Ist der Angreifer von Boitze womöglich ein Fuchs im Wolfspelz? In jedem Falle endet die Geschichte über die vermeintliche Wolfsattacke so, wie sie vor fast fünf Monaten begann: mit einem Paukenschlag.