Ockenheim: Streit um Ausweitung der Bejagung

OCKENHEIM - „Vor allem Rabenkrähen und Elstern stellen ein Problem dar“, erklärt Eckard Müller zum scheinbar aktuellen Thema „Krähenvögel“ in der Ockenheimer Gemarkung. Müller ist Jagdpächter der Jagdgenossenschaft Ockenheim.
Deren jüngste Jagdstrecke listete 44 Rabenkrähen und 52 Elstern auf (die AZ berichtete). Und auf Nachfrage bestätigt Müller: „Vor allem für Landwirte sind Krähenvögel ein besonderes Problem. Die Tiere sind extrem intelligent. Sie laufen den Fahrspuren der Traktoren hinterher, mit denen die Landwirte ihr Saatgut in die Erde einbringen und picken die Saat als Nahrung wieder heraus. Das ist für den Landwirt natürlich absolut ärgerlich.“
NICHT NUR NACHTEILE
Eichelhäher und Tannenhäher begründen neue Wälder, indem sie Eicheln im Boden verstecken, aus denen neue Waldbäume entstehen.Rabenvögel fressen Aas und übernehmen so eine wichtige ökologische Funktion mit der Beseitigung toter Tiere.
Elstern bauen mehr Nester als sie zum Brüten benötigen. Die leerstehenden Nester werden oft auch von anderen Arten wie Turmfalke und Waldohreule genutzt.
Rabenvögel tragen mit ihrer Nahrung wie Raupen, Mäuse, Maikäfer und Drahtwürmer zur natürlichen Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft bei.
Doch nicht nur auf dem Feld richten die Krähen erhebliche Schäden an, auch bei der Kirschenernte sorgen sie für Unmut. „Da gab es schon einige Beschwerden seitens der Landwirte über von Rabenkrähen angepickte Kirschen. Die Löcher locken dann natürlich die Essigfliegen an und das Obst verdirbt“, erklärt Müller. „Und von den Rabenkrähen vollgekotete Früchte sind für den Verkauf absolut ungeeignet.“
Idealer Lebensraum
Doch nicht nur Rabenkrähen, auch Elstern nisten vermehrt in der Nähe Ockenheims. Dies liege vor allem an den vielen Brachflächen, beispielsweise den verbuschten Anlagen ehemaliger Sauerkirschanlagen, erläutert Müller. „Der ideale Lebensraum für die Elster. Diesen nutzt sie bevorzugt als Brutplatz. Elstern stellen aber eher in der Singvogelwelt ein, wenn man es so nennen möchte, ‚Problem‘ dar. Da gehen die Meinungen allerdings auseinander.“
Laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fallen tatsächlich etwa zehn Prozent einiger Arten von Singvögeln den Elstern zum Opfer, darunter vor allem Amseln. Die Reduzierung von Elstern sei hier allerdings nicht hilfreich, denn der Vogel stand selbst bis in die 60er Jahre kurz vor dem Aussterben.
Probleme mit Krähenvögeln sind in Ockenheim nicht neu. „Vor etwa zwei Jahren erhielt ein Kirschen-Landwirt eine Sondergenehmigung bei der Unteren Jagdbehörde. Die Jagdsaison auf Krähenvögel endet generell am 28. Februar. Die Ausnahmegenehmigung hat uns aber erlaubt, die Anlage des Landwirtes unter bestimmten Auflagen über diesen Zeitraum hinaus zu bejagen und vor allem Jungkrähen zu schießen. So werden zusätzlich ältere Krähen ferngehalten. Das Ganze war allerdings auf acht bis zehn Jungkrähen beschränkt und galt nur während des Zeitraums der Kirschenernte für etwa vier bis sechs Wochen. Es war keine wirkliche Jagd, eher eine Vergrämungsaktion“, hält Müller hierzu fest. 1979 stellte die Europäische Union mit der EG-Vogelschutzrichtlinie alle Singvögelarten und somit auch Elster und Rabenkrähe unter Vollschutz. In den Änderungen von 1994 allerdings wurde festgelegt, dass für Eichelhäher, Elster und Aaskrähe, zu der auch die Rabenkrähe zählt, bestimmte Jagdzeiten erlassen werden dürfen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Bestände dieser Singvögelarten somit „reguliert“ werden. Wichtig ist, dass sie nicht während ihrer Brutzeit geschossen werden dürfen, die von April bis etwa Juni andauert. Somit gibt es derzeit keine rechtliche Handhabe gegen die Vermehrung der Tiere.
„Wir würden die Vögel ja nicht bejagen, wenn wir es nicht als notwendig ansehen würden“, erklärt dazu allerdings Jagdpächter Müller. Er verstehe, dass die Tiere geschützt werden sollten, doch sie stellten vor allem für Landwirte eben ein wirkliches Problem dar.
Experte sieht Bereicherung
Auf Anfrage erklärte Robert Egling, Geschäftsführer des Nabu-Naturschutzzentrums Rheinauen: „Saatkrähen sind kein ‚Problem‘, sondern eine seltene Art, die gefährdet und streng geschützt ist. Sie sind eine Bereicherung in unserem Gebiet, auch wenn es aufgrund des Schmutzes und Lärmes, den sie machen, oft schwer anzuerkennen ist. Wir können uns durchaus glücklich zeigen, dass diese Tiere sich bei uns ansiedeln.“
Ob das allerdings für betroffene Landwirte ein wirklicher Trost ist, sei dahingestellt.