Vorwürfe gegen Jäger aus Eich
EICH - War es einfach nur eine Verkettung äußerst unglücklicher Umstände, die vor gut zwei Wochen ein Geschoss aus dem Gewehr eines Jägers in das Haus von Thomas Wallot im Grenzweg lenkte, oder hat es der Schütze vielleicht doch an der im Umgang mit Waffen so dringend gebotenen Umsicht und weidmännischen Grundsätzen fehlen lassen?
Durch dieses Fenster, erklärt Thomas Wallot, sei das Projektil eingedrungen, das durch die ganze Wohnung flog. Einen halben Meter weiter links, und niemand hätte etwas bemerkt.
Möglicherweise trifft beides zu. Endgültig zu entscheiden, ob das so ist, haben die Kreisverwaltung Alzey-Worms als zuständige Jagdbehörde und die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, die den Vorgang jetzt prüfen werden.
Wie in der WZ berichtet, war plötzlich ein Projektil durch eine Fensterscheibe im ersten Stock von Thomas Wallots Haus geflogen, hatte im Inneren zwei geschlossene Türen durchschlagen und war dann in der Zimmerwand steckengeblieben. Nur wenige Augenblicke zuvor war seine Frau durch die spätere Schussbahn gelaufen. Das Haus steht am westlichen Eicher Ortsrand. Daran schließt sich das freie Feld an, wo der Jäger stand und auf eine Gans geschossen hatte. Verletzt wurde zum Glück niemand. „Wir können fünf Kreuze schlagen, dass da niemandem was passiert ist“, steht für Jörg Bähr, den Hegeringleiter Altrhein, fest. Es sei schließlich immer gefährlich, wenn Waffen im Spiel seien.
Er hat bereits mit dem Jäger gesprochen und kann sich das Ganze nur damit erklären, dass das Geschoss irgendwo abgeprallt sein muss und dann ausgerechnet in das Fenster gelenkt wurde. „Ein Jäger muss alle Vorschriften genau beachten und alle Risiken ausschließen, zum Beispiel muss er beim Schuss mit dem Rücken zur Wohnbebauung stehen. Wenn ich davon ausgehe, dass er das tat, ist nur ein Abpraller möglich. Er hat die Gans nicht getroffen, das Projektil ist aber nicht in den Ackerboden eingeschlagen, wo überhaupt nichts passiert wäre, sondern muss irgendwo aufgeschlagen sein und ist dann abgelenkt worden“, kann der Hegeringleiter sich vorstellen. Damit teilt er die Vermutung von Wilhelm Fell-Rathmacher, dem Obmann der Jägerschaft, Kreisgruppe Alzey-Worms (die WZ berichtete). Bähr ist auch sicher, dass sich die Gans am Boden befunden haben muss, denn im Flug würden Gänse nur mit Schrot beschossen. Der Schütze habe jedoch ein Gewehr mit Kugeln benutzt.
Zu großes Kaliber?
Der Pächter der Jagd, Walfried Nickel, der Vorgänger von Jörg Bähr als Hegeringleiter, ist ebenfalls erst einmal froh, dass niemandem etwas passiert ist, das sei die Hauptsache, betont er im Gespräch mit der WZ immer wieder. Er glaubt allerdings nicht, dass der Schütze völlig aus der Verantwortung zu nehmen ist. „Er hat ein viel zu großes Kaliber benutzt. Damit geht man normalerweise auf Schwarz- und Rotwild, aber nicht auf Gänsejagd“, wirft er ihm vor. Laut Auskunft der Polizei stand der Jäger auf jeden Fall 300 bis 400 Meter vom Ortsrand entfernt. Die verwendete Munition habe aber eine Reichweite von mehreren Kilometern. „Mit so was schießt man nicht so nahe am Ort und auch nicht auf Gänse. Die werden sowieso eher weniger mit Kugeln bejagt, sondern mit Schrot. Das war auf jeden Fall unvorsichtig, so was hab ich hier noch nicht erlebt“, meint Walfried Nickel, der an einen Abpraller übrigens nicht so recht glauben mag.
Er ist zudem ziemlich sauer auf den Schützen. „Das wirft kein gutes Licht auf uns Jäger, der bringt uns alle in Verruf“, schimpft er. Zudem sei der Schütze Mitte 60. „In dem Alter fängt man eigentlich an, ans Aufhören zu denken“, sagt der Jagdpächter. Seines Wissens habe er sich bis jetzt noch nicht mal bei den Geschädigten entschuldigt, ihn selbst habe er über den Unfall nicht sofort informiert. „Ich werde ihm jedenfalls noch einen Vortrag halten“, kündigt Walfried Nickel an.
„Wahrscheinlich Abpraller“
„Je näher ein Jäger an einer Wohnbebauung dran ist, umso vorsichtiger muss er sein“, bestätigt Hans-Jürgen Loos, der Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung bei der Kreisverwaltung Alzey-Worms, der im Übrigen auch einen Abpraller für am wahrscheinlichsten hält. Auch er sagt, dass seines Wissens Gänse eher mit Schrot bejagt werden, weniger mit Kugeln. Dies werde nun unter anderem zu prüfen sein, der Schütze werde zum Gespräch vorgeladen. Der Abteilungsleiter weiß aber auch: „Das letzte Risiko im Umgang mit Waffen ist trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nie auszuschließen.“ Der Jäger selbst wollte sich auf Nachfrage der WZ nicht dazu äußern.