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Abschied von Dachsjagd und Krähen-Massaker

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Die Jäger in NRW haben den grünen Landesumweltminister zum ideologischen Feind ausgerufen. Ihre Kampagne gegen mehr Artenschutz war bislang erstaunlich erfolgreich. Nun nimmt sie aber absurde Züge an.

Ein Jäger hält im Wald Ausschau nach Wild. In Nordrhein-Westfalen formiert sich heftiger Widerstand gegen die "Jagdwende" der rot-grünen Landesregierung

Wie ein Feldherr blickt Ralph Müller-Schallenberg, der Präsident des Landesjagdverbandes von Nordrhein-Westfalen, über das Schlachtfeld, auf dem um das von der rot-grünen Landesregierung geplante "Ökologische Jagdgesetz" gerungen wird. Die Kampagne gegen die Jagdgesetznovelle in Nordrhein-Westfalen sei ein "Paradebeispiel dafür, sich von dieser Regierung nichts mehr gefallen zu lassen", verkündet er großspurig im Verbandsorgan "Rheinisch-Westfälischer Jäger".

Die Jäger also als Speerspitze bürgerlichen Widerstandes gegen Reformquälgeister? Solche Vorstellungen schwingen wohl mit, wenn Müller-Schallenberg die von seinem Verband organisierten "Regionalkonferenzen" zum Ende des vergangenen Jahres als "beispielloses Aufbegehren des ländlichen Raums" bezeichnet. 15.000 Menschen nahmen nach seinen Angaben an diesen Protestveranstaltungen teil. Selbst Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne), der die Jagdreform verantwortet und deshalb zum ökoideologischen Feind aller ländlich-sittlichen Ordnung ausgerufen wurde, konnte dieser Mobilisierungsleistung seinen Respekt nicht versagen. Vielleicht hat er wirklich mit so erbittertem Widerstand nicht gerechnet.

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Ralph Müller-Schallenberg, Präsident des NRW-Landesjagdverbandes<br /><br />br /
Foto: LJV-NRW
Ralph Müller-Schallenberg, Präsident des NRW-Landesjagdverbandes

Remmel ist nicht zu beneiden. Sein erstes großes grünes Prestigeprojekt, ein Nationalpark im Teutoburger Wald, musste er beerdigen, weil die lokale Bevölkerung sich verweigerte. Und seinem im September vorgelegten Entwurf für die Jagdreform sind auf dem Weg durch das Kabinett jetzt schon wesentliche Zähne gezogen worden. Das Etikett "Ökologisches Jagdgesetz" wird wohl erhalten bleiben, wenn der Entwurf wie geplant im Mai vom Düsseldorfer Landtag verabschiedet wird. Aber bei nüchterner Betrachtung wird man sich schon fragen, was von der von Natur- und Tierschützern geforderten, von den meisten Jägern abgelehnten ökologischen "Jagdwende" übrig geblieben ist. Es bleibt aber auch zu fragen, ob sich die Jäger mit ihrem Widerstand wirklich einen Gefallen tun.

Der im ursprünglichen Entwurf geplante schärfste Bruch mit dem bisherigen Jagdsystem ist schon gestrichen worden. Naturschutz- und Tierschutzvereine können auf ihrem Grund und Boden weiterhin die Jagd nicht verbieten. Auch nicht aus ethischen Gründen. Gescheitert ist auch der Versuch Remmels, sein Umweltministerium als Oberste Jagdbehörde zu bevollmächtigen, die Liste der jagdbaren Arten festzulegen. Das brachte ihm den Vorwurf ein, er plane ein "Ermächtigungsgesetz". Nun wird die Liste der jagdbaren Arten Teil des Gesetzes selbst und muss also parlamentarisch abgesegnet werden.

Jäger verteidigen Positionen, die nicht haltbar sind

Bei diesen Veränderungen mag der mäßigende Einfluss des großen Koalitionspartners SPD wirksam gewesen sein. Doch sozialdemokratische Handschrift trägt auch die Wiedereinführung der 2009 abgeschafften Jagdsteuer, die sich nun unvermutet in den Entwurf eingeschlichen hat. Aus der Sicht der klammen Kommunen in NRW ist das nachvollziehbar. Allerdings widerspricht es dem Geist der Reform, die ja die Jagd stärker als öffentliche, gemeinwohlorientierte Aufgabe definieren will, wenn diese öffentliche Aufgabe mit einer Luxussteuer belegt wird.

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Ein Teilnehmer der Regionalkonferenz des Landesjagdverbandes im November 2014<br /><br />br /
Ein Teilnehmer der Regionalkonferenz des Landesjagdverbandes im November 2014

Müller-Schallenberg will jetzt die zweite Kampagnenwelle in Gang setzen. In allen Wahlkreisen sollen die Landtagsabgeordneten nach ihrer Haltung zur Jagdreform befragt werden. Besonders im Fokus stehen die 99 Abgeordneten der SPD, denen der Jägerpräsident prophezeit, dass sie die Zeche für das Gesetz zu zahlen hätten. Er will den Unmut hervorkitzeln, den mancher bodenständige Sozialdemokrat gegen die Ökoreformer hegen mag. Doch sind die verbleibenden Streitpunkte kaum von der Art, die SPD-Abgeordnete dazu bringen könnte, gegen die Koalitionsdisziplin zu verstoßen. Es heißt, dass keiner dieser 99 Genossen einen Jagdschein besitze. Keiner wird wegen der Waldschnepfe den Koalitionsfrieden stören.

Bei den Punkten, über die jetzt noch gestritten wird, haben die Jäger schwache Argumente. Sie verteidigen Positionen, die nicht mehr haltbar sind. Als jagdbares Wild gelten mehr als 100 Arten. Die allermeisten haben schon lange keine Jagdzeit mehr, werden also das ganze Jahr geschont. Dazu gehören alle Greifvogelarten und die meisten Entenarten. Tatsächlich gejagt werden dürfen Tiere, die niemals einer vernünftigen Verwertung zugeführt werden, zum Beispiel Möwen. Eine Kürzung des Katalogs der jagdbaren Arten als "Enteignung" zurückzuweisen, wie das die Jäger tun, muss man als groben Unfug bezeichnen.

Wer ist denn schon gerne Katzenmörder?

Nach Minister Remmels Vorstellungen sollen noch 27 Arten unter das Jagdrecht fallen. Für den Durchschnittsjäger ändert sich damit gar nichts. Was er bisher jagte, darf er auch weiterhin jagen, also vom Damhirsch bis zum Fasan. Sogar Rabenkrähen darf er schießen, wenn er das will. Sich mit anderen Jägern zusammenzurotten, um Krähen-Massaker zu verüben, das soll ihm verboten sein. Noch immer sind die Jäger nicht willens, auf diese Form der Jagd zu verzichten, an der sich eine ganze Industrie mit Tarnanzügen, Tarnnetzen und Flinten in Tarndesign eine goldene Nase verdient.

Auch auf den Abschuss von Katzen hätten die Jäger besser von sich aus verzichtet. Streunende Katzen sind zwar in der Tat ein Artenschutzproblem. Doch ab und zu eine Katze totzuschießen, löst dieses Problem nicht. Und nur Masochisten ziehen einen Gewinn daraus, wenn sie als "Katzenmörder" verunglimpft werden.

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Der Landesjagdverband will auch weiterhin das Recht haben, streunende Katzen zu töten<br /><br />br /

Der Landesjagdverband will auch weiterhin das Recht haben, streunende Katzen zu töten

Als Ballast der Jagd gilt auch die Baujagd, bei der Teckel oder Terrier in Erdbaue geschickt werden, um Fuchs oder Dachs herauszutreiben. Das hat eine lange Tradition, ist ohne Zweifel spannend und kann richtig ausgeführt sehr effektiv sein. Trotzdem wird sie immer seltener ausgeübt, weil auch Bauhunde heute in der Regel als Familientiere gehalten werden, die man dem hohen Risiko nicht gern aussetzt. Eine unterirdische Begegnung von Dachs und Hund geht fast nie ohne schwere Blessuren aus. So wie es aussieht, wird der Landtag im Mai ein zerzaustes Gesetz beschließen, mit dem niemand wirklich zufrieden sein kann.

Im Südwesten ging der Umweltminister geschickter vor

Ganz im Gegensatz zum Jagdgesetz von Baden-Württemberg, das dann schon in Kraft getreten sein wird und über das im vergangenen Jahr ebenso heftig gestritten wurde wie in Nordrhein-Westfalen. Im Südwesten hat der grüne Landwirtschaftsminister Alexander Bonde tatsächlich einen großen Wurf gewagt. Sein Gesetz hat mit dem Bundesjagdgesetz strukturell und terminologisch nicht mehr viel zu tun. Die Jagd wird klar als Teil eines umfassenden Managements wildlebender Tierarten definiert, das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

Die Liste der jagdbaren Arten wird durch ein "Dreischalenmodell" ersetzt. Die Arten unterliegen entweder einem Nutzungs-, einem Entwicklungs- oder einem Schutzmanagement. Jäger sind verpflichtet, sich an allen drei Stufen zu beteiligen und insbesondere bei der Erfassung und Beobachtung von Wildtierbeständen zu helfen. Der Landesjagdverband knurrt zwar noch, konnte sich dieser Reform aber nicht verschließen.

In NRW sperren sich die Jäger immer noch. Doch ihr Argument, Jagd beinhalte auch Hegepflicht, und Arten, die aus dem Jagdrecht entlassen würden, verlören den Schutz, sticht nicht. Wenn Jagd, wie von den Jägern behauptet, angewandter Naturschutz ist, dann darf sie etwa bei Verbesserung der Lebensräume nicht danach fragen, ob das jagdbaren oder nicht jagdbaren Arten hilft.

Jagd ist wichtig, zu wichtig, als dass man sie allein den Jägern überlassen könnte. Land- und Forstwirtschaft werden in Zukunft noch stärker in den Fokus öffentlichen Interesses und politischer Kontroversen rücken. Die Grünen haben eine ökologische Agrarwende zu einem ihrer Kernziele erklärt. Dafür gibt es parteistrategisch und in der Sache gute Gründe. Die Jagd ist ein notwendiger Teil. Es ist so aussichtslos wie unsinnig, sie als Reservat lodenbewehrter Traditionsbestände verteidigen zu wollen. Das Dumme an den Jägern ist, dass sie nicht erkennen und nicht erkennen wollen, welch glänzende Aussichten ihnen ein ökologischer Paradigmenwechsel in Wald und Flur eröffnet.

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Festhalten am Alten: Die Jäger in NRW sehen die Chancen der Reform nicht<br /><br />br /

Festhalten am Alten: Die Jäger in NRW sehen die Chancen der Reform nicht

http://www.welt.de/politik/deutschland/article136460961/Abschied-von-Dachsjagd-und-Kraehen-Massaker.html

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