Kormoran-Kolonien
Meschede-Berge. Die Plünderer der Fischbestände dürfen abgeschossen werden: Zum Schutz der wenigen Äschen dürfen an der Wenne jetzt Kormorane getötet werden.
Der „Vogel des Jahres 2010“ fällt 2015 dem „Fisch des Jahres 2011“ zum Opfer: An der Wenne dürfen, zum Schutz der wenigen Äschen, gegen Kormorane „letale Vergrämungsmaßnahmen“ angewendet werden, wie es in schönster Behördensprache heißt. Soll heißen: Die Plünderer der Fischbestände dürfen abgeschossen werden. Das hat die Kreisverwaltung verfügt. Sie folgt damit einer Empfehlung des Landschaftsbeirates.
Die Zahl der Fisch-Räuber, die abgeschossen werden dürfen, ist allerdings überschaubar: Bis 2017 können, an drei Abschnitten der Wenne, maximal 15 Kormorane pro Jahr getötet werden: Fünf pro Abschnitt. Die Zahl von ursprünglich 20 Kormoranen je Abschnitt, die die Verwaltung zunächst empfohlen hatte, hielt der Landschaftsbeirat für zu hoch: Mit solch großen Aufkommen sei nicht zu rechnen. Bemerkenswert ist der Abschuss-Beschluss dennoch: Denn Kormorane sind eigentlich vom Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt. An der Wenne vergreifen sie sich aber ausgerechnet an noch selteneren Fischen: Die Äschen stehen als gefährdete Art in der Roten Liste.
Vögel kommen von Seen herüber
Hubert Donner ist Vorsitzender des Sportangelvereins Berge. Er hatte, genauso wie der Angelsportverein in Wenholthausen sowie die Fischereigenossenschaft Wenne-Salwey, die Anträge beim Kreis gestellt, dass Kormorane abgeschossen werden dürfen. Donner sagt: „Im Grunde ist das eine Verzweiflungstat. Eigentlich haben ja alle ein Überlebensrecht.“
Der Ruhrverband hat im Baldeneysee aufs Neue 5000 Exemplare ausgesetzt. Die Schwarmfische sollen verhindern, dass sich die unerwünschte Wasserpflanze...
Doch anders könne man den Kormoranen nicht Herr werden – für Donner ist das auch ein Küstenvogel, der hier nichts zu suchen hat. Sobald die Seen, wie der Hennesee, zufrieren, weichen die Kormorane inzwischen auf die Fließgewässer aus: „Die fischen die Wenne ganz systematisch ab.“ Gruppen von 30 bis 40 Kormoranen hat er schon beobachtet, die auf die Jagd gehen. Jeder Vogel fängt pro Tag ein Pfund Fisch: „Kormorane sind intelligent. Die treiben sich die Fische zu.“ Und die Äschen machen es den Kormoranen einfach: Sie stehen bevorzugt im freien Wasser und sind damit leichte Beute – anders als Forellen, die sich eher verstecken.
Öffentliches Interesse am Abschuss
Was kaum bekannt ist: Die Wenne ist nicht nur Naturschutzgebiet, sondern bildet von der Einmündung in die Ruhr flussaufwärts bis nach Niederberndorf auch eine so genannte „Äschenschutzkulisse“ – diese besonders seltene Fischart soll auch besonders geschützt werden. Zum Schutz der Äsche gibt es nun eine Ausnahme vom Jagdverbot auf Kormorane: „Das öffentliche Interesse liegt vor, weil die heimische Fischpopulation gefährdet ist“, so die Kreisverwaltung.
Auf zwölf Jahre haben die 25 Berger Angler ihren sechs Kilometer langen Wenne-Abschnitt gepachtet. Sie fischen nach Forellen. Jedes Jahr besetzen sie die Wenne deshalb mit Forellennachwuchs. „Der Äschen-Bestand ist in den letzten Jahren rapide zurückgegangen“, hat Hubert Donner beobachtet. Sein junger Angler-Kollege Markus Krämer kennt die Äschen quasi nur vom Hörensagen: Gesehen hat er selbst noch keine. Auch der erfahrene Angler Ulrich Moritz weiß: „Äschen sind die absolute Seltenheit geworden.“
„Kormorane sind ja nicht doof"
Hubert Donner ist froh, dass nun wenigstens einige Kormorane abgeschossen werden dürfen, um die anderen abzuschrecken. In der Vergangenheit hatten die Behörden den Anglern noch empfohlen, Kormorane doch durch Klatschen oder Vogelscheuchen zu verscheuchen: „Kormorane sind ja nicht doof. Das hat die überhaupt nicht beeindruckt.“